Analyse: G8 ist heute, G20 morgen
Die Diskussion schwelt seit Jahren, wurde aber meist von dem einen oder anderen Staat- oder Regierungschef schnell wieder im Keim erstickt. Nun, da ganze Volkswirtschaften am Abgrund stehen, zeigt sich, dass es die Starken nur gemeinsam richten können, um Großbanken zu retten, den Welthandel anzukurbeln und neue Spielregeln gegen Finanzmarktzocker durchzusetzen.
«Das G8-Format reicht nicht mehr aus», sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Regierungserklärung zum G8-Gipfel, der heute in der schwer von einem Erdbeben gezeichneten italienischen Abruzzenstadt L'Aquila beginnt. «Die Probleme, vor denen wir stehen, können von den Industriestaaten nicht mehr alleine gelöst werden.»
Mit dieser Ansicht steht sie bei weitem nicht allein. Erstmals beim «deutschen» Gipfel 2007 hatte Merkel die großen Schwellenländer China, Indien, Südafrika, Brasilien und Mexiko (G5) zu Dauergästen gemacht. Diese Öffnung der Achter-Runde - mit den USA, Großbritannien, Japan, Kanada, Frankreich, Italien, Deutschland und Russland - erweist sich heute als richtig.
Viele Gründen sprechen dafür, den Kreis weit größer zu ziehen. Vor allem der Kampf gegen die Erderwärmung ist ohne die Schwellenländer - vor allem China und Indien - nicht zu gewinnen. Alle Maßnahmen und Verpflichtungen, die die G8 ergreifen, hätten ohne die verpflichtende Unterstützung aus China, Indien und Brasilien mit ihren brummenden und deshalb immer schmutziger werdenden Volkswirtschaften kaum die nötige durchschlagende Wirkung.
Beim jüngsten Gipfel im japanischen Toyako hatten die aufstrebenden Nationen allerdings deutlich gemacht, wie das umzusetzen wäre: durch milliardenschwere Zahlungen. Allerdings war damals von der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise seit den 30er Jahren noch keine Rede. Und im übrigen: Die Zähmung der Finanzmärkte auch in den entlegensten Ecke der Erde ist ohne Schwellenländer und andere auf die weltpolitische Bühne strebenden Akteure quasi undenkbar.
Um schnell zu Ergebnisse zu kommen, läuft das Krisenmanagement seit November vergangenen Jahres unter dem Dach der 1999 gegründeten G20: Dazu gehören die G8-Nationen, die G5-Staaten und Spanien, Argentinien, Australien, Indonesien, Saudi-Arabien, Südkorea und die Türkei.
Die meisten von ihnen werden durch ihre Staats- oder Regierungschefs in L'Aquila anwesend sein. Im April hatten sich die G20 in London getroffen, die Fortsetzung der Runde in diesem Format mit dann möglicherweise weitreichenden Entscheidungen findet Ende September in der US-Industriestadt Pittsburgh statt. Schon allein aus diesem Grund wird L'Aquila wohl zu einer Art Überleitung: Die London-Ergebnisse zur globalen Neuordnung der Finanzmärkte und Austrocknung der Steueroasen sollen neue Impulse bekommen, die dann in Pittsburgh zu vorzeigbaren Ergebnissen führen.
Auch in der Summe scheinen die Hoffnungen des italienischen Gipfels eher gedämpft. Die Agenda von L'Aquila umfasst: klare Regeln für das weltweite Wirtschafts- und Finanzsystem, Kampf gegen den Klimawandel sowie die Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Armutsbekämpfung. «Es wird vage Absichtserklärungen geben, bei denen fraglich ist, ob sie jemals in die Praxis umgesetzt werden», gibt sich die Programmchefin «Globalisierung und Weltwirtschaft» bei der «Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Milena Elsinger skeptisch.
Experten meinen, es gebe generell keine Rechtfertigung mehr, dass die westlichen Industrienationen unter sich bleiben wollen. In den USA wird in «Denkfabriken» und Teilen der Politik gar von G2 geredet: Die USA und China als die wirklichen Zentren der Weltwirtschaft. Die EU, so eine in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) berichtete britische Überlegung, könnte dazustoßen. Künftig etwa G3? Es gibt deutliche Anzeichen, dass sich die gesamte Gipfelarchitektur der G8 im Wandel befindet und L'Aquila nur eine «Zwischenlösung» darstellt - so Merkel.