Analyse: Der Tod und der Wandel der Bundeswehr

Berlin (dpa) - Es ist der schwerste Gang eines Verteidigungsministers. «Ich muss Ihnen leider Mitteilung machen, dass ich gerade eine traurige Nachricht aus Afghanistan erhalten habe», sagte Franz Josef Jung (CDU) am Dienstag - und das war nicht das erste Mal.

Man weiß, was dann folgt. Diesmal waren es drei deutsche Soldaten, die während ihres Einsatzes in Afghanistan gestorben sind. «Für den Frieden gefallen», so sieht es Jung.

Die Zeit der bloßen Übung für den Ernstfall ist vorbei. Heute kämpfen, sterben und töten deutsche Soldaten auch. Das gehört zu der Realität, die Union und SPD 2005 als Aufgabe der Bundeswehr in den Koalitionsvertrag geschrieben haben. Danach dienen die deutschen Streitkräfte auch der «internationalen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung». Und: «Deutschland ist bereit, einen seiner Größe und Bedeutung angemessenen Beitrag zur Stärkung der internationalen Sicherheit zu leisten.»

Der Afghanistan-Einsatz markiert wohl am deutlichsten den Abschied von der alten Bundeswehr, deren oberste Priorität die Landesverteidigung war. Die Militärmission am Hindukusch ist ihr mit inzwischen bis zu 4500 Soldaten größter, wichtigster und gefährlichster Einsatz. Als drittgrößter Truppensteller ist sie maßgeblich daran beteiligt, ob die NATO den Kampf gegen die Taliban erfolgreich abschließen oder in Afghanistan scheitern wird.

Viele Politiker scheuten sich lange davor, den Afghanistan-Einsatz als Kampfeinsatz zu bezeichnen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ging hingegen bald dazu über, nicht mehr von Verletzten und Getöteten, sondern von «Verwundeten» und «Gefallenen» zu sprechen - Vokabular des Krieges. Die wohl deutlichste Erklärung des Verteidigungsministeriums, dass die Bundeswehr nicht zum Brunnenbau dort ist, gab es aber erst kürzlich. Offen berichtete ein Sprecher von Gefechten und Opfern auch auf Seiten der radikal-islamischen Taliban: «Das zeigt, dass wir auch in der Lage sind, die Angreifer abzuwehren und auch zu töten.» Fragen nach dem Tod waren lange tabu.

Was die Koalitionsvereinbarung betrifft, hat Jung sie weitgehend erfüllt. Er legte wie verabredet nach einem Jahr das sogenannte Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr vor - zwölf Jahre nach dem Erscheinen des letzten Weißbuches. Es wurden die Anforderungen der Streitkräfte als «Armee im Einsatz» und die Priorität für die NATO festgeschrieben. Ein weiterer Beleg für die Umstrukturierung der Bundeswehr waren just in dem Jahr die Einsätze im Kongo und vor der libanesischen Küste.

Nach anfänglichen Debatten über die neue deutsche Rolle und eine als missverständlich kritisierte Informationspolitik von Jung, waren beide Missionen bald kein Thema mehr. Insgesamt war der Minister zwar immer wieder Ziel für Kritik der Opposition, er belastete die Regierung aber nicht mit schweren Fehlern oder Skandalen.

Belange der Rüstung hatte die Koalition 2005 so vage formuliert, dass sie nicht groß daran gemessen werden kann. So steht im Vertrag kryptisch: «Die Rüstungsplanung berücksichtigt im Rahmen der Zielsetzung, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu gewährleisten, den Erhalt entsprechender industrieller Kernkompetenzen.» Jung schickte mehr geschützte und gepanzerte Fahrzeuge nach Afghanistan und hält trotz Entwicklungspannen an der geplanten Bestellung des Militärtransportflugzeugs A400M und weiterer Eurofighter fest. Der vor seiner Amtsübernahme bei rund 24 Milliarden Euro eingefrorene Verteidigungsetat beläuft sich heute auf mehr als 31 Milliarden Euro.

Auch an der Wehrpflicht wurde in vier Jahren nicht gerüttelt, sondern sowohl in Koalitionsvertrag und Weißbuch ein Bekenntnis zu dem Pflichtdienst für Männer abgegeben. Künftig möchte die SPD aber ein «Freiwilligen-Einberufungssystem». Wie sich Freiwilligkeit und Pflicht miteinander vereinbaren lassen, erscheint aber noch unklar.

Eines seiner wichtigsten Ziele hat Jung aber nicht erreicht: Die Erlaubnis, die Bundeswehr zum Schutz vor Terroranschlägen auch im Inland einzusetzen und dafür das Grundgesetz zu ändern. Alle Bemühungen der Union scheiterten an den Bedenken der SPD, dass die in der unheilvollen deutschen Geschichte begründete Trennung von Polizei und Militär verwischt werden könnte. Bei Auslandseinsätzen wird hier nicht so scharf getrennt. Da übernehmen deutsche Soldaten, etwa in Afghanistan, schnell einmal Polizeiaufgaben, wenn Not am Mann ist.

Bundesregierung / Verteidigung
24.06.2009 · 11:49 Uhr
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