Wirkt bei Mischgewebe: Einfaches Lösungsmittel kann das Textilrecycling revolutionieren
Textilien aus Polyester-Baumwoll-Mischungen sind seit langem ein Problem für das Recycling: Die unterschiedlichen chemischen Eigenschaften von synthetischen und natürlichen Fasern machen eine saubere Trennung schwierig, sodass Mischgewebe oft energetisch verwertet oder qualitativ minderwertig weiterverarbeitet werden. Neue Laborergebnisse aus einem Forschungsteam der TU Wien deuten darauf hin, dass sich dieses Dilemma durch einen einfachen, nicht toxischen Lösemittelansatz lösen lässt.

Neues Lösungsmittel wirkt auch bei Mischgewebe
Im Kern nutzt das Verfahren eine so genannte deep-eutectic-solvent (DES), eine Mischung aus zwei feststoffartigen Komponenten, die zusammen eine flüssige Lösung bilden. Bei Erwärmung auf Temperaturen im Bereich von rund 200 °C verändert diese Lösung die Löslichkeitseigenschaften des Verbunds der Fasern: Der Polyesteranteil löst sich, während die Zellulosefasern der Baumwolle unversehrt bleiben. Nach Abkühlung lässt sich der Polyester wieder abscheiden, so dass beide Materialien getrennt vorliegen. Eine der beteiligten Forscher:innen fasste die Beobachtung so zusammen: „Die Baumwollfasern bleiben stabil und behalten ihre typischen Eigenschaften – sie lassen sich sogar wieder zu neuen Garnen verspinnen. Und auch der Polyester bleibt unverändert: Seine Struktur und Schmelztemperatur sind gleich wie zuvor.“
Gelingt die Übertragung aus dem Labor in die Praxis, würde das Verfahren die Wiederverwertbarkeit von Mischgeweben deutlich verbessern. Baumwolle könnte in Form von Fasern erneut versponnen werden, Polyester wäre als Ausgangsstoff für neue Garne oder technische Anwendungen verfügbar. Angesichts der jährlichen Textilproduktion in Millionen Tonnen und des hohen Anteils an Mischgeweben wäre ein solches Verfahren ein konkret wirksames Instrument, um Materialkreisläufe zu schließen und den Bedarf an Primärrohstoffen zu senken. Die Chance besteht darin, aus bisher schwer verwertbarem Abfall wieder hochwertiges Ausgangsmaterial zu gewinnen, ohne die Fasern chemisch zu schädigen.
Bisher nur unter Laborbedingugen getestet
Trotz vielversprechender Rückgewinnungsraten in Laborversuchen bleiben offene Fragen: Die für die Reaktion notwendige Temperatur verlangt Energie, und die wirtschaftliche sowie ökologische Bilanz muss für großindustrielle Durchsätze erst noch belegt werden. Darüber hinaus müssen unterschiedliche Textilveredelungen, Farbstoffe und Materialmischungen aus realer Abfallströmen in die Prozessführung integriert werden, damit das Verfahren mit dem heterogenen Input aus Sammelcontainern oder Retouren zurechtkommt. Erste Experimente zeigen hohe Rückgewinnungsraten für reine Mischgewebe, doch der Nachweis der Robustheit gegenüber dem komplexen Materialmix der Praxis steht noch aus.
Die neu entwickelte Methode erweitert die technische Möglichkeit, Polyester-Baumwoll-Mischungen wieder in den Produktionskreislauf zurückzuführen. Ob und wie schnell dies im industriellen Maßstab gelingt, hängt von weiteren Optimierungen hinsichtlich Energiebedarf, Prozessführung und Kosten ab — bleibt jedoch eine realistische Perspektive für eine nachhaltigere Textilwirtschaft.
via TU Wien

