Widerruf von bestimmten Immobilienkrediten weiterhin jederzeit möglich

Bei Kreditverträgen gilt ein 14-tägiges Widerrufsrecht für Verbraucher. Doch die Frist startet nie, wenn die Belehrung fehlerhaft ist. Der Ausstieg aus einem Immobiliendarlehen ist dann jederzeit möglich. Zwar hat die Regierung dieses ewige Widerrufsrecht größtenteils abgeschafft. Bei jüngeren Darlehensverträgen besteht die Option jedoch weiterhin, weiß Rechtsanwalt Guido Lenné.

Jahrelang konnten Kreditnehmer ihre Immobiliendarlehen auch Wochen, Monate oder gar Jahre nach Vertragsabschluss widerrufen, da die Kreditgeber fehlerhafte Widerrufsbelehrungen verschickt hatten. Im Zuge der Wohnimmobilienkreditrichtlinie beschränkte die Politik diese Möglichkeit jedoch im vergangenen Jahr für Verträge, die zwischen November 2002 und Juni 2010 vereinbart wurden. Betroffene konnten nur noch bis Juni 2016 von ihrem ewigen Widerrufsrecht Gebrauch machen.

Doch die Neuregelung gilt längst nicht für alle Darlehen. Insbesondere Verbraucher, die erst vor wenigen Jahren einen Immobilienkredit vereinbart haben, können unter Umständen auch noch jetzt frühzeitig aus ihrem Vertrag aussteigen. finanzen.de hat mit Guido Lenné, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, darüber gesprochen, warum das ewige Widerrufsrecht bei einigen Immobiliendarlehen weiterhin besteht und wie Kreditnehmer vorgehen sollten, die ihren Vertrag widerrufen wollen.

Kreditnehmer, die ihren zwischen dem 2. November 2002 und dem 10. Juni 2010 vereinbarten Kredit aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung widerrufen wollten, konnten dies nur bis Juni 2016. Doch was gilt für Verträge, die seit dem 11. Juni 2010 abgeschlossen wurden?

Guido Lenné: Die ab dem 11. Juni 2010 abgeschlossenen Verträge sind von der gesetzgeberischen Ausschlussfrist für die Widerrufsmöglichkeit nicht betroffen. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 22. November 2016 (Az.: XI ZR 434/15) können viele dieser Verträge auch heute noch widerrufen werden.

Welche Gründe führen dazu, dass die Widerrufsbelehrung eines Immobilienkredits fehlerhaft sein kann?

Guido Lenné: Einfach gesagt sind den Banken unter anderem bei Erstellung der Widerrufsbelehrungen Formfehler unterlaufen. Insbesondere Sparkassen, Volksbanken und die Deutsche Bank haben beispielsweise den Beginn der Widerrufsfrist von zusätzlichen - gesetzlich nicht vorgeschriebenen - Angaben abhängig gemacht. Sie haben zum Beispiel einen Klammerzusatz mit zusätzlichen Angaben in ihren Widerrufsbelehrungen verwendet, wie:

  • Angabe des effektiven Jahreszinses
  • Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung
  • Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde

Laut Bundesgerichtshof handelt es sich dabei um ein Angebot der Bank für den Beginn der Widerrufsfrist, das mit der Unterzeichnung des Darlehens von Verbrauchern angenommen wird. Folgerichtig beginnt die Widerrufsfrist erst, wenn Darlehensnehmer diese zusätzlichen und freiwilligen Angaben auch tatsächlich erhalten haben.

Nach unserer Erfahrung haben es insbesondere Sparkassen, Volksbanken und Deutsche Bank allerdings unterlassen, die von ihnen zusätzlich genannten Angaben in der Vertragsurkunde zu bezeichnen.

Wann sollten Verbraucher Ihrer Meinung nach die Widerrufsbelehrung und somit einen frühzeitigen Ausstieg aus ihrem Vertrag prüfen?

Guido Lenné: Da das Widerrufsrecht ein Gestaltungsrecht ist, können Darlehensnehmer grundsätzlich jederzeit den Widerruf erklären. Gestaltungsrechte unterliegen keiner Verjährung. Allerdings ist höchste Vorsicht geboten, wenn Darlehensnehmer bereits Kenntnis von der Widerrufsmöglichkeit haben und jahrelang nichts unternehmen. Dann kann unter Umständen die Verwirkung des Widerrufs eintreten. Denn man kann sein Recht durch Abwarten verlieren.
Insbesondere ist auch von dem Androhen des Widerrufs abzuraten, da dies von Gerichten als rechtsmissbräuchlich bewertet werden kann. Der Widerruf muss ohne Vorbehalt erklärt werden. Im Einzelfall empfiehlt sich ein anwaltlicher Rat.

Wie sollten Kreditnehmer dabei vorgehen?

Guido Lenné: Bevor der Widerruf bei laufenden Darlehen erklärt wird, sollten Darlehensnehmer prüfen, dass sie eine Anschlussfinanzierung oder ausreichend Eigenmittel haben, um den Rückabwicklungsbetrag an die Bank zurückzuzahlen. Jedoch kann sich bei der Rückabwicklung auch ergeben, dass der Darlehensnehmer nichts mehr schuldet, sondern die Bank, da der Darlehensnehmer bereits zu viel gezahlt hat. Regelmäßig ergibt sich für Bankkunden hier ein erhebliches Einsparpotenzial.

Nachdem der Widerruf erklärt wurde, sollten weitere Zahlungen nur noch unter Vorbehalt erfolgen.

Wird gleichzeitig mit dem Verkauf der finanzierten Immobilie der Widerruf erklärt, muss die offene Darlehensschuld zuzüglich einer meistens anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung unter Vorbehalt der Rückforderung entrichtet werden. Andernfalls kann sich die Bank auf die Zahlung in Kenntnis der Nichtschuld berufen, mit der Folge, dass beispielsweise die nicht geschuldete Vorfälligkeitsentschädigung nicht mehr zurückgefordert werden kann.

Auf welche Probleme stoßen Darlehensnehmer Ihrer Erfahrung nach beim Kreditgeber, wenn sie ihren Vertrag widerrufen wollen?

Guido Lenné: In der Regel wird ein Widerruf von der Bank nicht akzeptiert. Und wenn ein Widerruf akzeptiert wird, gibt es oftmals noch Probleme mit der Rückabwicklung von Darlehen. Ohne die Hilfe eines Fachanwalts für Bankrecht kommt man nur selten ans Ziel.

Vielen Dank für das Interview, Herr Lenné.

Baufinanzierung
[finanzen.de] · 13.03.2017 · 09:20 Uhr
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