Röttgen an Atom-Vertrag nicht beteiligt

Berlin (dpa) - Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ist als federführender Minister für Atomfragen nicht am Vertrag der Regierung mit den Energiekonzernen beteiligt worden.

«Ich habe an dem Vertrag nicht mitgewirkt, und es hat auch kein Vertreter des Umweltministeriums teilgenommen», sagte Röttgen nach Angaben von Teilnehmern am Mittwoch in einer Sondersitzung des Umweltausschusses. Angesichts rechtlicher Risiken legte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) der Koalition eine Einbindung des Bundesrats nahe.

Der tagelang unter Verschluss gehaltene Vertrag billigt der Atomindustrie mehrere Schutzklauseln zu. In früheren Interviews hatte sich Röttgen gegen jegliche Form von «Deal-Politik» ausgesprochen - gerade bei einer heiklen Entscheidung wie der Verlängerung von Atomlaufzeiten. Eine Sprecherin des Umweltministeriums betonte, dass in dem Vertrag nur die Abschöpfung der Gewinne geregelt wurde, dies sei Sache des Finanzministeriums. Es gebe daher keine Distanzierung Röttgens - der Minister selbst stellte das Abkommen ebenfalls nicht infrage.

Die Opposition spricht von einem «Geheim-Deal», in dem die Sicherheit der Bürger nach Meinung von Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn «verraten und verkauft» worden ist. In dem Vertrag werden unter anderem die Nachrüstkosten pro Atomkraftwerk (AKW) bei 500 Millionen Euro gedeckelt. Was darüber liegt, wird von den Ausgaben der Konzerne für den Ökoenergie-Fonds abgezogen.

Röttgen bestätigte im Umweltausschuss, dass sich die Regierung in der Frage, ob die im Schnitt zwölf Jahre längeren Atomlaufzeiten ohne den Bundesrat beschlossen werden können, auf mündliche Stellungnahmen stützt. Diese hatten Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kurz vor der Entscheidung im Kanzleramt abgegeben. Die Grünen bewerten es als «höchst zweifelhaft», dass sich die Regierung in einer so wichtigen Frage nur auf mündliche Beurteilungen stütze.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte bei der Aussprache über den Haushalt 2011 im Bundestag die Entscheidung für längere Atomlaufzeiten. Es habe keinen Sinn, aus ideologischen Gründen Atommeiler abzuschalten oder Kohlekraftwerke zu verhindern, sagte Merkel. Man habe sich das Laufzeit-Plus nicht abkaufen lassen. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warf der Kanzlerin vor: «Sie, Frau Merkel, sind die Kanzlerin von RWE, Eon, EnBW und Vattenfall.»

Bundestagspräsident Lammert kritisierte das Vorgehen bei den Atomplänen. «Ich halte die gefundene Lösung, die auch ohne eine Zustimmung des Bundesrats realisiert werden soll, nicht für einen Geniestreich», sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Der Alleingang birgt laut Lammert nicht nur ein «beachtliches verfassungsrechtliches Risiko». Union und FDP würden damit auch auf die Chance verzichten, das Energiekonzept auf die breite Basis zu stellen, die der lange Geltungszeitraum bis 2050 erfordere.

In Gutachten kommen mehrere Verfassungsrechtler zu dem Schluss, dass das Laufzeit-Plus nur mit der Länderkammer beschlossen werden könne - hier hat Schwarz-Gelb aber keine Mehrheit mehr. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, etwa hält die Verlängerung weiterhin nur mit Zustimmung des Bundesrats für möglich. Dies schreibt Papier in einem noch unveröffentlichten Aufsatz für die «Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht» (NVwZ). Röttgen betonte hingegen, auf Basis der Ministerempfehlungen halte man die Entscheidung für nicht zustimmungspflichtig.

«Röttgen steht mit dem Rücken zur Wand», sagte SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber. «Er verteidigt nun ein aus seiner Sicht falsches und verfassungswidriges Energiekonzept.» Der SPD-Umweltpolitiker Matthias Miersch wertete die Aussagen Röttgens im Umweltausschuss als «deutliche Absetzbewegungen» von dem Atom-Vertrag. Dass Röttgen als zuständiger Minister nicht eingebunden gewesen sei, sei ein «verfassungsrechtlicher und sicherheitspolitischer Skandal». Röttgens Aussagen zu der Sicherheitsfrage seien «nebulös» gewesen.

Röttgen wies die Vorwürfe der Opposition beim Thema Sicherheit zurück: «Wir steigern die Sicherheit.» Der FDP-Umweltpolitiker Michael Kauch betonte, Rot-Grün habe im Rahmen eines «Deals» vor zehn Jahren in den Verhandlungen mit den Energiekonzernen beim Atomausstieg auf jegliche Nachrüstung verzichtet. In Paragraf 18 des Atomgesetzes sei damals vereinbart worden, dass bei Nachrüstungen Entschädigungen an die AKW-Betreiber zu bezahlen seien.

Die Umweltschützer von Greenpeace kommen in einer neuen Studie zu dem Ergebnis, dass die deutschen Atomkraftwerke weniger gut gegen Terrorangriffe geschützt sind als vielfach vermutet. Demnach sind neben einem gezielten Flugzeugabsturz auch konventionelle panzerbrechende Waffensysteme geeignet, einen schweren Reaktorunfall auszulösen. Greenpeace forderte, die sieben ältesten Atomkraftwerke sowie das nach Pannen stillstehende AKW Krümmel sofort stillzulegen.

Energiekonzept

Energie / Atom
15.09.2010 · 18:11 Uhr
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