Polizei räumt Schlossgarten für Stuttgart 21

Stuttgart (dpa) - Die Polizei hat den Stuttgarter Schlosspark nach monatelangen Protesten geräumt und damit den Weg für den Bau des umstrittenen neuen Bahnhofs geebnet.

Mehr als 2000 Beamte lösten das Protestcamp der Bahnhofsgegner am Mittwochmorgen auf. Kurz darauf wurden die ersten Bäume für den Bau von Stuttgart 21 gefällt. Viele Protestierer verließen freiwillig das Gelände, auf dem manche seit vielen Monaten ausgeharrt hatten. Nur vereinzelt stießen die Beamten auf Widerstand. Polizeipräsident Thomas Züfle bedankte sich bei den S21-Gegnern für das «sehr besonnene Verhalten».

In den frühen Morgenstunden begann die Polizei damit, den Schlossgarten abzuriegeln. Die Beamten trugen rund 50 Gegner des Milliardenprojekts von dem Gelände neben dem Hauptbahnhof. Dort will die Bahn mehr als 170 Bäume fällen oder verpflanzen lassen, um die Baugrube für den heftig umstrittenen Tiefbahnhof ausheben zu können.

Zu Beginn des Einsatzes gegen 3.00 Uhr protestierten noch etwa 1000 Demonstranten. Der erwartete massive Widerstand blieb aus; es blieb weitgehend friedlich. Einige Menschen riefen «Unser Park!» und «Oben bleiben!», andere sangen den Protestsong «We shall overcome». Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und Schnee sollten Lagerfeuer Wärme spenden. Gegen 6.45 Uhr durchbrachen die Einsatzkräfte dann die gut einen Meter hohe Barrikade zum Zeltcamp aus Paletten und Müll.

Polizeipräsident Züfle erklärte, der «friedliche und weitgehend reibungslose Einsatz» sei wesentlich auch auf das Verhalten der Projektkritiker zurückzuführen. Er sei erleichtert, denn das geplante Fällen der Bäume habe die Emotionen der Demonstranten hoch kochen lassen: «Viele waren sehr traurig, man muss ihnen die Zeit der Trauer einräumen.»

Der Polizei-Einsatzleiter Norbert Walz berichtete von 104 Demonstranten, deren Identität festgestellt worden sei. Insgesamt wurden laut Polizei den ganzen Tag über 16 Männer und 8 Frauen vorübergehend festgenommen. Ihnen werden unter anderem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie ein Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz und das Versammlungsverbot zur Last gelegt.

Projektgegner hatten nach Polizeiangaben vorübergehend zwölf Bäume im Schlossgarten besetzt. Sie harrten auf Plattformen oder in Baumhäusern aus. Vier Menschen ketteten sich an. Zwei weitere hatten ihre Unterarme im Boden einbetoniert; sie wurden von der Polizei befreit. Zudem setzten einige Beamte laut Polizeisprecher Olef Petersen Schlagstöcke ein, als S21-Gegner partout nicht zur Seite gehen wollten. «Aber das war wirklich sehr vereinzelt.»

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lobte das Vorgehen der Polizei. Sie habe den Einsatz umsichtig und professionell vorbereitet. «Der bisherige Verlauf des Polizei-Einsatzes stimmt mich auch zuversichtlich, dass auch die weiteren Maßnahmen im Großen und Ganzen friedlich ablaufen», sagte Kretschmann. Er dankte auch den Gegnern, die friedlich protestiert hatten. «Der Einsatz ist so verlaufen, wie wir es tatsächlich auch erwartet haben», fügte Innenminister Reinhold Gall (SPD) hinzu.

Die Montagsdemonstrationen gegen Stuttgart 21 sollen weitergehen, wie der Sprecher der «Parkschützer», Matthias von Herrmann, ankündigte. Mit dem Fällen der Bäume gehe zwar der «emotionale Aufhänger» verloren, aber es gebe weiter viele ungeklärte Fragen.

Von Herrmann warf der Polizei vor, nicht wie angekündigt deeskalierend gewirkt zu haben: «Man hätte mehr reden können.» Das Deeskalationsteam der «Parkschützer» sei gleich zu Beginn des Einsatzes aus dem Park geworfen worden. «Die Bürgerbeteiligung ist heute Nacht endgültig ad acta gelegt worden», sagte er. Der Schlichterspruch habe vorgesehen, alle gesunden Bäume im Schlossgarten zu verpflanzen. Diesen Minimalkonsens habe die Landesregierung missachtet.

Es war der zweite große Polizeieinsatz innerhalb von gut einem Monat. Am 13. Januar war der Südflügel des alten Bahnhofs abgesperrt worden, um ihn abreißen zu können. Regierung und Polizei wollten eine Eskalation wie bei den Baumfällarbeiten am 30. September 2010 vermeiden. Damals hatte die Polizei Wasserwerfer und Pfefferspray eingesetzt; mehr als 100 Menschen wurden verletzt.

Das Projekt Stuttgart 21 umfasst eine unterirdische Durchgangsstation und die Anbindung an die geplante Schnellbahnstrecke nach Ulm. Die Bahn schätzt die Kosten auf rund 4,1 Milliarden Euro. Die Grünen und andere Projektgegner halten den Bahnhofsumbau für unnötig und rechnen mit einer Kostenexplosion. Seit der Volksabstimmung Ende November 2011, bei der sich die Befürworter durchsetzten, hat sich die Debatte etwas beruhigt.

Verkehr / Bahn / Stuttgart 21
15.02.2012 · 20:52 Uhr
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