Massentierhaltung - Der Image-Krieg der Bauern

[/img]Die Horrorbilder aus deutschen Mastställen hat jeder gesehen, die Entscheidung ist für viele gefallen: Bei 24 Hühnern pro Quadratmeter, bei 10.000 Schweinen in einer Tierfabrik, da wollen wir nicht mehr mitessen. Doch die Bauern machen weiter, als wäre nichts. 1000 riesige Hallen für Geflügel sind derzeit in Deutschland geplant oder im Bau, 800 Mastbetriebe füttern Hühner allein für den Giganten Wiesenhof fett, und immer mehr Bauern schließen solche Lizenzverträge ab.

«Effizienz statt Hofladenromantik», diese Devise hat der neue Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, unlängst beim Deutschen Bauerntag ausgegeben. Doch weil auch der Bauernverband gemerkt hat, dass der Verbraucher keine aggressive Landwirtschaft mehr will, präsentiert sich Rukwied in einem neuen Video auf der Verbandswebseite als naturnaher Bauer - schließlich war er beim Verband bisher für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Das Kamerateam besucht ihn auf seinem 260-Hektar-Hof in Eberstadt, Baden-Württemberg. Rukwied im Einklang mit Rot- und Weißkohl und der Natur. Fast romantisch sieht das aus.

Rukwied ist insofern ein unproblematischer Bauer, als er keine Tiere hält. Denn gerade die Tierhaltung liegt dem Verbraucher am Herzen. «Um die Erfolgsgeschichte unserer Veredlungsbranche auch in Zukunft weiterzuschreiben, müssen wir uns auch den gesellschaftlichen Rückhalt für unsere Tierhaltung sichern», bemerkt Vizepräsident Werner Hilse beim Bauerntag.

Der kritische Verbraucher ist romantisch

Deshalb ist das Kamerateam auch zu Jörn Ehlers gefahren. Ehlers ist offenbar ein Vorzeigebauer. Er mästet 6000 Schweine im Jahr und ist sich, wenn er einen Lkw zum Schlachter winkt, bewusst, dass er da 85 Lebewesen auf die letzte Reise schickt, wie er im Film sagt. Das passt ins Konzept, denn mehr Emotionalität will der Bauernverband unter Rukwied bieten. Jörn Ehlers' Schweinestall ist supersauber, moderne Spaltböden, computergesteuerte Fütterung, ein bisschen Spielzeug in der Mitte der Bucht. Ordentlich sieht es aus, mit Natur hat das nichts zu tun.

1980 entschied sich Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, Präsident der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, dass er es anders will. Wer als Bauer überleben wollte, musste groß und effizient werden. Wenn die Preise niedrig sind, müssen wir umso mehr produzieren, war das Credo in der Branche und ist es bis heute. Großbetriebe verdrängten die kleinen. Von Mai 2011 bis Mai 2012 mussten 1600 Schweinebetriebe aufgeben, das sind fünf Prozent – und doch stehen eine Million Schweine mehr in den Ställen.

Graefe zu Baringdorf wollte erst gar nicht in den Teufelskreis einsteigen, sondern lieber bei 50 Hektar Ackerland bleiben. Er entwickelte das Neuland-Programm: Hühner und Kälber auf grüner Wiese, Sauen und ihre Ferkel in Staub und Stroh. Natürlich will auch Graefe zu Baringdorf Geld verdienen mit seinem Hof, «hochpreisig» ist das Schlagwort. Um der Spirale der niedrigen Preise zu entkommen, muss man mehr bieten als das Produkt. Eine tierliebe Haltung, ökologische Fruchtfolge, regionale Erzeugnisse fair gehandelt, alles, was dem kritischen Verbraucher am Herzen liegt nennt Graefe zu Baringdorf Sekundärqualitäten. Als einer der ersten hat er vor 30 Jahren begriffen, dass sich auch damit Geld verdienen lässt.

Das gelbe und das grüne Gesicht der modernen Bauern

Modernität hat zwei Gesichter. Das eine ist grün, das andere gelb – in politischen Farben gesprochen. Der Deutsche Bauernverband verkörpert die gelbe Version von Modernität. Michael Lohse ist Pressesprecher und damit verantwortlich für das sympathische Bild nach außen, das jetzt so wichtig geworden ist. Doch die Frage nach den Tierfabriken und der Überproduktion von Fleisch nervt ihn. «Die ganze Wirtschaft ist darauf ausgerichtet, die Stückkosten zu senken, um überleben zu können. Im globalen Wettbewerb muss jeder die Kostensituation im Auge haben, sonst gibt es ein böses Erwachen», legt er los.

Es könne eben nicht jeder Direktvermarkter sein, das sei unrealistisch. Natürlich gehe der Trend zu größeren Tierbeständen, das sei schließlich eine Kostenfrage und jeder Bauer heutzutage ein gut ausgebildeter Betriebswirtschaftler.

Für Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf ist das kein Qualitätskriterium, sondern ein Anzeichen für den Tod des Bauerntums. «Die jungen Bauern sind zu ihren eigenen Totengräbern erzogen worden, ihnen wurde das bäuerliche Selbstverständnis in Beziehung zu ihren Tieren und der Natur aberzogen», sagt er.

Moderne Landwirtschaft: Immer mehr Fleisch

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht geht nichts ohne Wachstum. Dabei essen die Deutschen seit Jahren immer weniger Fleisch. Zehn Prozent der Produktion bleiben schon jetzt übrig. Wohin also mit den Fleischbergen?

[/picseq]Weil der Markt global ist, kann Lohse ruhigen Gewissens sagen: «Wir haben noch nichts weggeworfen. Es gibt eine Milliarde hungernde Menschen auf der Erde.» Tatsächlich hat sich der Export von Schweinefleisch in den vergangenen drei Jahren mehr als verdreifacht - und er wird von der EU üppig bezuschusst. Die Überproduktion allerdings landet zum Beispiel in Afrika und zerstört dort die lokale Landwirtschaft, wie der Evangelische Entwicklungsdienst beklagt.

Druck gegen Massentierhaltung können nur die Supermarktketten machen

Gelb oder grün, schneller Gewinn oder Nachhaltigkeit, der Kampf tobt in allen Branchen. Bewegung ins Thema Tierhaltung bringen am Ende die, von denen man es am wenigsten erwartet: die Supermarktketten. Sie können sich skeptische Verbraucher nicht leisten, und sie sind in der Lage, richtig Druck zu machen. Die Ketten kippten die Käfighaltung bei Hühnern, sie forderten «bio» ein, und auch bei der Massentierhaltung bauen sie langsam Druck auf, sagt Graefe zu Baringdorf. «Die Leute, die jetzt in anonyme Massentierhaltung investieren, können sich nicht mehr sicher sein, dass sich das rentiert», sagt er.

Vorerst geht die Rechnung allerdings auf. Denn so präsent der Protest gegen Tierfabriken und die Bioladenmamas in der Öffentlichkeit sein mögen, sie sind eine kleine Minderheit. 10 bis 15 Prozent sind derzeit Bio-, Regional- oder Neulandfleisch, schätzt Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der auch für die Grünen im Europaparlament sitzt. Sein Credo seit 1980: Die Zukunftslandwirtschaft ist bäuerlich. Etwas anderes hält die Erde gar nicht aus.

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[news.de] · 10.07.2012 · 11:38 Uhr
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