Kritik an Bundeswehr nach Luftangriff bei Kundus

Kabul/Berlin (dpa) - Nach dem verheerenden Luftangriff in Afghanistan mit Dutzenden Toten wächst die internationale Kritik an der Bundeswehr, die den Einsatz angeordnet hatte. Der oberste NATO- Kommandeur in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, bemühte sich derweil um Schadensbegrenzung.

Er besuchte den Ort des Angriffs auf die gekaperten Tanklaster nahe Kundus und sprach mit Dorfbewohnern. McChrystal erklärte dabei nach Angaben der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»: «Für mich ist es klar, dass es einige zivile Opfer gab.» Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte zuvor dagegen betont, nach bisherigen Erkenntnissen seien «ausschließlich terroristische Taliban getötet worden».

Vor seinem Besuch in dem Unruhedistrikt Char Darah, wohin die Taliban die gekaperten Tanklaster gebracht hatten, hatte sich ISAF- Kommandeur McChrystal über das afghanische Fernsehen an die Bevölkerung gewandt. Er versicherte dabei den Afghanen, dass die NATO alles unternehme, um die Bevölkerung bei Militäreinsätzen zu schonen.

Die Europäische Union (EU) sprach am Samstag von einer «Tragödie». Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte für die EU-Ratspräsidentschaft zu dem Bombenangriff: «Wir gewinnen diesen Krieg nicht, indem wir töten. Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner sprach von einem «großen Fehler». «Wir müssen mit ihnen zusammenarbeiten statt sie zu bombardieren. Sie müssen die Sache genau untersuchen», sagte Kouchner. Auf die Frage, wessen Fehler der Angriff sei, sagte er: «Ich weiß nicht, ich bin kein Richter.» Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn kritisierte, «ich verstehe nicht, dass Bomben so einfach und so schnell abgeworfen werden können.»

Jung verteidigt Einsatz

Verteidigungsminister Jung rechtfertigte den Angriff. Die Taliban hätten vor der Bundestagswahl mit Anschlägen gedroht, sagte er der ARD. «Deshalb war es eine sehr konkrete Gefahrenlage, wenn die Taliban in den Besitz von zwei Tanklastwagen gekommen sind, die eine erhebliche Gefahr für unsere Soldaten bedeutet haben.» Schützenhilfe erhielt Jung vom Vorsitzenden des Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch. «So viel Treibstoff ist in der Hand von Terroristen eine gefährliche Waffe, da musste der Kommandeur handeln», sagte er der «B.Z. am Sonntag».

Staatsanwaltschaft prüft Angriff auf Taliban

Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den für den Luftangriff verantwortlichen deutschen Kommandeur eingeleitet werden muss. Der Leitende Oberstaatsanwalt Heinrich Junker, sagte der «Bild am Sonntag»: «Wir prüfen einen Anfangsverdacht wegen eines eventuellen Tötungsdeliktes gegen den deutschen Oberst, der diesen Luftangriff befohlen beziehungsweise angefordert hat.»

Der Kommandeur des Bundeswehr-Lagers in Kundus, Oberst Georg Klein, hatte am Freitag beim Hauptquartier der internationalen Schutztruppe ISAF Luftunterstützung angefordert, nachdem die Taliban zwei Tanklastzüge entführt hatten. Er befahl auch den Angriff. Dabei kamen dutzende Menschen ums Leben. Die Bundeswehr spricht von mehr als 50 getöteten Aufständischen. Der afghanische Präsident Hamid Karsai teilte mit, es seien «rund 90 Menschen getötet oder verletzt» worden.

Dorfbewohner sprechen von bis zu 150 Toten

Nach afghanischen Quellen gibt es aber auch zivile Opfer. Stammesälteste des Dorfes Omarchel sprachen von bis zu 150 Zivilisten, die getötet worden seien. Ein Mitarbeiter der Deutschen Presse-Agentur dpa, der am Samstag zwei der Dörfer im Distrikt Char Darah besuchte, zählte dort 60 frische Gräber. Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos warb um Verständnis, dass die Aufklärung Zeit brauche. «Das wird minutiös aufgearbeitet.»

Die Taliban setzten ihre Angriffe am Samstag fort: Bei einem Anschlag wurden fünf deutsche Soldaten und ein afghanischer Dolmetscher verletzt. Nach afghanischer Darstellung hatte sich ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto in die Luft gesprengt. Schon am Freitag waren deutsche Soldaten, die die Umstände des Luftangriffs untersuchen sollten, unter Beschuss geraten. Verletzt wurde niemand.  

Steinmeier fordert Aufklärung

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte in der «Bild am Sonntag» restlose Aufklärung. «Gegen verbrecherische Terroristen muss entschieden vorgegangen werden. Gleichzeitig müssen wir aber alles tun, um unschuldige zivile Opfer zu vermeiden.» Der FDP- Verteidigungsexperte Jürgen Koppelin verlangte eine ehrliche Debatte über den deutschen Afghanistan-Einsatz. Es handele sich um einen Krieg. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi kritisierte die Informationspolitik: «Während in Afghanistan die toten und verletzten Zivilisten betrauert werden, versucht sich die Bundeswehrführung und das Verteidigungsministerium weiter im Verschleiern.»

Afghannistan / Konflikte
05.09.2009 · 20:00 Uhr
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