Kassen warnen: Neue Milliardenkosten für Versicherte
Berlin (dpa) - Die Krankenkassen schlagen Alarm: Milliardenkosten rollen ihrer Ansicht nach auf die Kassenpatienten zu - trotz Überschüssen des Gesundheitsfonds. Minister Bahr sagen sie ein Scheitern beim Versuch voraus, den drohenden Ärztemangel auf dem Land zu verhindern.
Weit mehr Honorar für Ärzte und mehr Geld für Kliniken seien vorprogrammiert, warnte ihr Spitzenverband. Das Gesundheitsministerium wies die Darstellung zurück. Zudem forderten die Kassen, nicht benötigte Milliarden-Überschüsse aus dem Gesundheitsfonds für Beitragssenkungen zu verwenden.
Nach jetziger Gesetzeslage blieben diese Mittel im Fonds, kritisierte die Chefin des Kassenspitzenverbandes, Doris Pfeiffer, am Dienstag auf einer Veranstaltung in Berlin. Der Kassenverband forderte, nicht benötigte Mittel von über zwei Milliarden Euro zum Jahresende nicht in der Fonds-Reserve zu parken. Damit könnten etwa die Beiträge gesenkt werden. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, wies die Forderung zurück: Milliardenschwere Überschüsse müssten der Versorgung zugute kommen.
Allein die niedergelassenen Ärzte würden aber 2013 quasi automatisch bis zu 2,8 Milliarden Euro mehr verdienen, warnte der Vizechef des Kassenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg. Zuletzt sei ihr Honorar schon auf 33 Milliarden Euro hochgeschnellt. Laut Stackelberg sollen künftig Abschläge beim Ärztehonorar nicht mehr als Grundlage künftiger Honorar-Berechnungen genommen werden. Tatsächlich sollen gemäß dem aktuellen Entwurf für das Versorgungsgesetz «Ist- Leistungsmengen» zugrunde gelegt werden. Der Entwurf lag der Nachrichtenagentur dpa vor.
Laut Stackelberg würden damit ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl die Obergrenzen beim Ärztehonorar faktisch fallen - Kostenpunkt laut Kassen: 2,4 Milliarden Euro. «Das ist eine Gelddruckmaschine», kritisierte er. Weitere Steigerungen von 300 bis 400 Millionen Euro beim Ärztehonorar kämen hinzu. Zusätzliche Milliardenkosten ergäben sich durch mehr Geld für spezialisierte Fachärzte und für die Kliniken.
Ein Sprecher Bahrs nannte die Behauptungen der Kassen «falsch». «Durch das geplante Versorgungsgesetz kommen keine Milliarden- Belastungen auf die Krankenkassen zu.» Künftig solle die Vergütungen nicht mehr auf Bundesebene verhandelt werden, sondern in den Regionen. «Dabei ist selbstverständlich, dass es bei einer Begrenzung des Vergütungsvolumens bleibt.» Der FDP-Gesundheitsexperte Heinz Lanfermann warf den Kassen Verunsicherung vor. Laut bisherigen Aussagen des Ministeriums sollen die Abschläge nur für Landärzte abgeschafft werden, so dass mehr Ärzte in Mangelregionen gelockt werden.
Das Gesetz verfehlt nach Ansicht der Verbandschefin Doris Pfeiffer den aktuellen Plänen zufolge aber auch das Ziel, den drohenden Ärztemangel auf dem Land zu verhindern: «Wir können Unterversorgung nicht wirklich abbauen, ohne die Überversorgung abzubauen.» Dies geschehe aber den bisherigen Plänen zufolge nicht. Die Mediziner hätten dann weiter die Möglichkeit, in Städte mit vielen Ärzten statt aufs Land zu gehen. Dringend müsse es in den Ballungsräumen Abschläge geben, Arztsitze sollten dort nur befristet besetzt werden. «Sonst verpufft das Ganze.»
Die Bremer Handelskrankenkasse hkk warnte vor dem Aus von weiteren 20 Kassen. Der Kassenverband solle eine existierende Liste gefährdeter Kasse veröffentlichen, forderte hkk-Chef Michael Lempe im «Weser-Kurier» (Mittwoch). «Versicherte müssen erkennen können, welche Krankenkasse länger überlebensfähig bleibt.» Der Verband erstelle regelmäßig ein Rating, in dem die 155 gesetzlichen Kassen je nach finanzieller Lage in vier Ampelfarben eingeteilt würden. «20 Kassen haben den vierten Status Rot.»