Karlsruher Richter prüfen Wahlrechtsnovelle – Reform in der Kritik
Die Debatte um die Größe des Deutschen Bundestages nimmt eine entscheidende Wendung: Das Bundesverfassungsgericht setzt sich intensiv mit der von der Ampel-Koalition durchgesetzten Wahlrechtsreform auseinander. Mit der im vergangenen Juni in Kraft getretenen Neuregelung visiert die Regierung eine Verkleinerung des Parlaments an. Beabsichtigt ist eine Verringerung von derzeit 735 Abgeordneten auf 630 Parlamentarier bei der nächsten Bundestagswahl.
Eine zentrale Neuerung der Reform ist die Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten, die das Zweitstimmenergebnis der Parteien zur alleinigen Messlatte der Parlamentsstärke machen soll. Bisher konnten Parteien, die über ihre Direktkandidaten mehr Sitze erlangten als es ihrem Zweitstimmenanteil entsprach, die Überhangmandate behalten und führten so zu einer proportionalen Aufstockung durch Ausgleichsmandate bei den anderen Parteien. Die Folge: ein aufgeblähtes Parlament, das sich zu einem der umfangreichsten weltweit entwickelte.
Eine weitere Konsequenz der Novellierung ist das Aus für die Grundmandatsklausel. Bislang ermöglichte diese Regelung Parteien den Einzug in den Bundestag auch bei einem Zweitstimmenanteil unter fünf Prozent, sofern sie mindestens drei Direktmandate erringen konnten – ein Szenario, von dem zuletzt die Linke mit 4,9 Prozent Zweitstimmenanteil und drei Direktmandaten profitierte. Fortan gilt ausschließlich die Fünfprozenthürde als Eintrittskarte in den Bundestag.
Die Reform trifft jedoch auf erheblichen Widerstand. Klage eingereicht haben 195 Mitglieder der Unionsfraktion, die bayerische Staatsregierung, die Linke-Bundestagsfraktion und die Parteien CSU und Linke. Ihnen schließen sich über 4000 Bürgerinnen und Bürger mit einer eigenen Verfassungsbeschwerde an. Die Kritiker sehen unter anderem das demokratische Grundrecht auf Chancengleichheit der Parteien durch die Reform beeinträchtigt. Die weiteren Beratungen des Bundesverfassungsgerichts sollen Aufschluss über die verfassungsrechtliche Tragweite der Wahlrechtsreform geben. (eulerpool-AFX)