Impfschaden-Klage in Karlsruhe: Was wirklich auf dem Spiel steht
Worum es in Karlsruhe geht
Gegenstand der Verhandlung ist die Klage einer Frau, die im März 2021 mit dem AstraZeneca-Impfstoff Vaxzevria geimpft wurde. In der Folge erlitt sie nach eigenen Angaben einen vollständigen Hörverlust auf einem Ohr sowie weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Klägerin macht den Impfstoff dafür verantwortlich und wirft AstraZeneca vor, ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis verschwiegen zu haben.
Sie verlangt Schadenersatz sowie umfassende Auskünfte über bekannte Wirkungen, Nebenwirkungen und Verdachtsfälle. Ob der BGH bereits am Verhandlungstag ein Urteil fällt, ist offen.
Wann liegt rechtlich ein Impfschaden vor?
Nach der Definition des Bundesgesundheitsministeriums liegt ein Impfschaden dann vor, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung über übliche Impfreaktionen wie kurzfristiges Fieber oder Schmerzen hinausgeht. Ob eine solche Schädigung tatsächlich durch die Impfung verursacht wurde, prüfen die zuständigen Behörden der Bundesländer im Einzelfall.
Allein eine zeitliche Nähe zwischen Impfung und Erkrankung reicht nicht aus, um einen ursächlichen Zusammenhang festzustellen.
Wie häufig sind gemeldete Nebenwirkungen?
Zwischen Ende 2020 und Ende 2024 wurden dem Paul-Ehrlich-Institut rund 350.000 Verdachtsfälle von Impfnebenwirkungen gemeldet. Das entspricht etwa 1,78 Meldungen je 1.000 verabreichte Impfdosen. Schwerwiegende Verdachtsfälle machten rund 0,32 Meldungen pro 1.000 Dosen aus.
Das Institut betont jedoch, dass es sich dabei um Verdachtsmeldungen handelt. Diese sind weder automatisch bestätigte Nebenwirkungen noch Impfschäden im rechtlichen Sinne.
Haftung der Hersteller: hohe Hürden
Grundsätzlich können Impfstoffhersteller nach dem Arzneimittelgesetz haftbar gemacht werden. Voraussetzung ist jedoch, dass der Impfstoff bei sachgemäßer Anwendung schädliche Wirkungen zeigt, die über ein nach wissenschaftlichen Maßstäben vertretbares Maß hinausgehen – etwa bei einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis. Alternativ kann eine Haftung bestehen, wenn Fach- oder Gebrauchsinformationen nicht dem damaligen Stand der Wissenschaft entsprachen.
Ein Anspruch auf Auskunft besteht nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden vorliegen und die Informationen notwendig sind, um mögliche Schadenersatzansprüche zu prüfen.
Vorinstanzen wiesen Klage ab
Die Klage gegen AstraZeneca scheiterte bislang in den Vorinstanzen. Das Oberlandesgericht Koblenz stellte darauf ab, dass die Europäische Arzneimittelagentur dem Impfstoff zum Zeitpunkt der Anwendung ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis bescheinigt hatte. Diese Einschätzung teilten auch zahlreiche andere Gerichte in vergleichbaren Verfahren.
Dass AstraZeneca im Jahr 2024 die Zulassung für Vaxzevria zurückgab, änderte daran aus Sicht des OLG nichts. Maßgeblich sei der Wissensstand zum Zeitpunkt der Impfung, nicht der spätere Widerruf.
Sonderregelung könnte Hersteller zusätzlich schützen
Selbst wenn der BGH zu einer abweichenden Einschätzung kommen sollte, könnte eine weitere rechtliche Hürde greifen. Die sogenannte „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungs-Verordnung“ sieht vor, dass Ansprüche gegen Pharmaunternehmen ausgeschlossen sein können, wenn Arzneimittel im Rahmen staatlicher Beschaffungsprogramme zur Pandemiebekämpfung eingesetzt wurden. In bisherigen Gerichtsverfahren spielte diese Regelung allerdings kaum eine Rolle.
Ärzte haften nicht persönlich
Unabhängig davon hat der BGH bereits im Oktober entschieden, dass impfende Ärztinnen und Ärzte für mögliche Corona-Impfschäden grundsätzlich nicht persönlich haften. Für Aufklärungs- oder Behandlungsfehler bei Impfungen bis April 2023 sei in der Regel der Staat verantwortlich. Entsprechende Klagen müssen sich daher gegen Bund oder Länder richten, nicht gegen die Mediziner selbst.
Börse bleibt gelassen
An den Finanzmärkten sorgt die Verhandlung bislang nicht für Unruhe. Die AstraZeneca-Aktie zeigte sich am Montag leicht fester. Anleger scheinen davon auszugehen, dass die rechtlichen Hürden für eine Haftung hoch bleiben und keine grundsätzliche Neubewertung der Risiken droht.
Das Verfahren in Karlsruhe gilt dennoch als richtungsweisend – nicht nur für AstraZeneca, sondern für mögliche weitere Klagen im Zusammenhang mit Corona-Impfstoffen.


