Hintergrund: Von Beginn an Widersprüche

Hamburg (dpa) - Nach dem Angriff auf zwei gekaperte Tanklastzüge in Afghanistan herrschte von Beginn an Verwirrung. Von 50 getöteten Aufständischen berichtete das Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Kundus unmittelbar nach dem Luftschlag Anfang September.

Der Gouverneur der Provinz Kundus, Mohammed Omar, gab die Zahl der Getöteten dagegen mit 90 an, die Hälfte davon seien Zivilisten. «Unschuldige Zivilisten sollten bei Militäroperationen nicht getötet oder verwundet werden», kommentierte der afghanische Präsident Hamid Karsai.

4. September: Das Verteidigungsministerium in Berlin hält in einer ersten Reaktion an der Version der Bundeswehr fest. «Unbeteiligte sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu Schaden gekommen», betont ein Sprecher. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wolle sich zunächst nicht persönlich äußern, das «Informationsbild» sei noch ungesichert. Doch schon bald kommen Zweifel auf: Unter Berufung auf NATO-Kreise berichten mehrere Zeitungen, das Bündnis dränge die Bundeswehr, ihre Informationspolitik zu ändern.

«Es ist möglich, dass es auch zivile Opfer gab, aber das ist noch nicht klar», sagt NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen in Brüssel. Das Ministerium hält dagegen: «Sie können davon ausgehen, dass der Angriff angeordnet wurde, weil keine unbeteiligten Zivilpersonen durch den Angriff hätten zu Schaden kommen können», sagt Sprecher Thomas Raabe. Und: «Bei anwesenden Zivilisten hätte der Luftangriff nicht stattfinden dürfen.» Der Schutz von Zivilisten habe für die Bundeswehr oberste Priorität.

5. September: Einen Tag nach dem Angriff meldet sich Minister Jung erstmals selbst zu Wort: Es gebe weiterhin keine Erkenntnisse, dass bei dem Angriff auch Zivilisten getötet worden sein, sagt er der ARD.

6. September: Ein Bericht der «Washington Post» wirft der Bundeswehr und ihrem Kommandeur in Kundus, Oberst Georg Klein, schwere Verfehlungen vor. Ein Reporter war mit einem NATO-Untersuchungsteam unter US-General Stanley McChrystal am Ort des Geschehens.

7. September: Der Gouverneur des afghanischen Distrikts Char Darah spricht mittlerweile von 135 Toten, darunter seien auch Kinder. Das Ministerium in Berlin bleibt jedoch auch drei Tage nach dem Angriff bei seiner Version: «Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt keine konsolidierten Kenntnisse über zivile getötete Personen.» Kurz darauf wendet sich das Blatt: Jung räumt im ZDF erstmals ein, dass auch Zivilisten unter den Opfern des Luftschlags sein könnten. «Wir sind an einer Aufklärung interessiert, und wenn es dort entsprechende zivile Opfer gegeben hat, dann hat das selbstverständlich unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme hervorzurufen.»

12. September: Eine Woche nach dem tödlichen Vorfall meldet sich erstmals der ranghöchste deutsche Soldat, Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan, zu Wort und verteidigt die Bombardierung in der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».

17. September: Nach Abschluss der afghanischen Untersuchung spricht Präsident Hamid Karsai erneut von einem Fehler: «Der Vorfall ist sehr bedauerlich, denn wir haben zu viele Zivilisten verloren.» Nach Angaben aus Kabul wurden bei dem Luftangriff 99 Menschen getötet, darunter 69 Taliban und 30 Zivilisten.

29. Oktober: Die NATO legt dem Bundesverteidigungsministerium ihren Bericht vor. Die genaue Opferzahl sei nicht mehr genau zu ermitteln, heißt es. Unter Berufung auf Informationen aus der internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF berichten Verteidigungspolitiker und Medien, Oberst Klein habe gegen deren Regeln verstoßen und die Bombardierung im Alleingang ohne Vorwarnung für die Taliban angeordnet. Dabei seien zwischen 17 und 142 Menschen getötet worden - unter ihnen bis zu 40 Zivilisten, melden verschiedene Quellen. «Das bestätigt nicht, dass durch den Luftschlag unbeteiligte Personen getötet wurden», sagt Schneiderhan. Oberst Klein und die deutschen Soldaten hätten militärisch angemessen gehandelt.

6. November: Auch der neue Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nennt den Angriff zunächst «angemessen». Nach dem Studium des Geheimberichts der NATO habe er keinen Zweifel an der Einschätzung Schneiderhans.

Konflikte / Bundeswehr / Afghanistan
26.11.2009 · 14:56 Uhr
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