Gasbeschaffung wird teurer: EU droht milliardenschwere Nachzahlung für Speicherfüllung vor dem Winter
Nach einem vergleichsweise kalten Winter steht die Europäische Union vor deutlich höheren Kosten bei der Gasbeschaffung: Laut Berechnungen von Allianz Trade könnten die Mitgliedstaaten rund 26 Milliarden Euro investieren müssen, um die Gasspeicher bis November auf die angestrebten 90 Prozent zu füllen. Im vergangenen Jahr hatte die gleiche Aufgabe noch 16 Milliarden Euro gekostet – bei einer sogar höheren Zielmarke von 99 Prozent.
Der Grund für die Kostensteigerung liegt nicht nur im wachsenden Füllbedarf: Der vergangene Winter war der erste seit Beginn des Ukrainekriegs mit durchgehend niedrigen Temperaturen, die den Gasverbrauch stark erhöhten. Dazu kam eine unterdurchschnittliche Stromerzeugung aus Windkraft. „Europa hatte den ersten echten Winter seit 2022“, sagte Allianz-Analyst Ano Kuhanathan.
Zwar liegen die aktuellen Gaspreise noch unter dem Vorjahresniveau – nicht zuletzt wegen schwächerer Nachfrage aus China – doch das könnte sich bald ändern. Laut Prognosen von Morgan Stanley ist im Sommer mit einem Preisauftrieb von etwa zehn Prozent zu rechnen. Der Bedarf zur Speicherbefüllung sei schlicht zu groß. Allein um 80 Prozent der Speicherkapazität zu erreichen, müssten die LNG-Importe im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent steigen.
Gleichzeitig verzögert sich die politische Entscheidungsfindung. Die EU hatte jüngst vorgeschlagen, das starre 90-Prozent-Ziel bis 2027 zu verlängern, stieß damit jedoch insbesondere in Berlin auf Widerstand. Deutschland plädiert für mehr Flexibilität bei der Zielvorgabe, da die vorzeitige Beschaffung im Sommer regelmäßig Preisspitzen verursacht. Die EU-Kommission prüft nun eine Reduktion der Vorgabe um bis zu sieben Prozent – eine Maßnahme, die jedoch voraussichtlich nicht rechtzeitig zur diesjährigen Füllperiode greifen wird.
Ein weiteres Risiko ergibt sich aus der globalen Wettbewerbssituation. China, der weltweit größte Abnehmer von LNG, hat seine Käufe zuletzt zwar zurückgefahren – bedingt durch milde Temperaturen und eine schwächelnde Binnenkonjunktur. Doch eine mögliche wirtschaftliche Erholung nach der jüngsten Entspannung im Handelskonflikt mit den USA könnte den asiatischen Gasbedarf im Sommer wieder anziehen lassen. Laut Equinor-Manager Peder Bjorland muss Europa deshalb höhere Preise bieten, um sich im internationalen Wettbewerb durchzusetzen: „Preis bleibt das entscheidende Instrument.“
Für die EU-Staaten bleibt die Lage damit komplex: Sie müssen nicht nur Versorgungsengpässe im Winter vermeiden, sondern gleichzeitig einen erneuten Anstieg der Großhandelspreise im Sommer verhindern. Die Branchenorganisation Eurogas mahnt deshalb zu „klarer und frühzeitiger Kommunikation“ seitens der Politik – nicht zuletzt, um Marktverwerfungen in einem weiterhin angespannten Energiemarkt zu vermeiden.