Gaddafi hält Anti-USA-Rede im römischen Senat
Nachdem er am Donnerstag seine Gastgeber erneut eine gute Stunde auf sich warten ließ, nahm der «Colonnello», wie die Italiener Al-Gaddafi auch nennen, im römischen Senat kein Blatt vor den Mund. «Wir sind gegen den Terrorismus, aber was ist der Unterschied zwischen dem Bombenangriff der USA auf Libyen 1986 und den Anschlägen von Osama bin Laden», sagte Al-Gaddafi in seiner Funktion als Präsident der Afrikanischen Union (AU) in einer Neben-Aula des Senatsgebäudes.
Er bezog sich damit auf den Luftangriff der Amerikaner auf Tripolis und Bengasi vom April 1986 - als Reaktion auf den Bombenanschlag in der West-Berliner Diskothek «La Belle», bei dem zwei Menschen ums Leben kamen und zahlreiche andere verletzt wurden. Die Beziehungen zwischen Libyen und den USA waren erst Anfang 2004 nach einer 23-jährigen Unterbrechung wieder aufgenommen worden. «Dass der Irak heute der Terrororganisation El Kaida offen steht, ist allein Schuld der USA», so Al-Gaddafi, denn Saddam Hussein sei «ein Bollwerk gegen den Terror» gewesen.
Wie schon am Vortag - zum Auftakt seines ersten offiziellen Besuchs bei der früheren Kolonialmacht - lobte er hingegen erneut das seit der Kolonialzeit gewandelte Italien und die guten heutigen Beziehungen zwischen Tripolis und Rom. «Ich bin hier, weil Italien sich entschuldigt hat», hatte Al-Gaddafi bereits am Vortag betont.
Eigentlich hätte der starke Mann aus Tripolis im Sitzungssaal des Senats sprechen sollen. Dies scheiterte jedoch an dem heftigen Widerstand linker Senatoren. Die Fraktionschefs hatten schon am Vorabend angekündigt, der «Colonnello» werde seine Ansprache «nur» in einer Neben-Aula halten. Vor seiner Rede versuchte eine Delegation der Anti-Korruptionspartei «Italien der Werte» (Idv) aus Protest gegen libysche Menschenrechtsverletzungen Al-Gaddafi den ironisch gemeinten akademischen Titel «Laurea Horribilis Causa» («Der schrecklichen Sache») zu verleihen.
Auch bei dem weiteren Programm des Revolutionsführers kam es zu heftigen Protesten: Studenten der römischen Universität La Sapienza, wo Al-Gaddafi zu einer Debatte geladen war, pfiffen den Libyer aus. Zuvor war es bereits zu Zusammenstößen zwischen den auf Al-Gaddafi wartenden Studenten und der Polizei gekommen. Vorgeworfen wird dem Revolutionsführer vor allem, dass Italien als Zeichen der engeren Zusammenarbeit seit kurzem Bootsflüchtlinge direkt wieder nach Libyen abschieben kann.
«Wenn ihr alle tausenden Immigranten hereinlasst, dann werdet ihr schon bald einen Diktator brauchen», entgegnete Al-Gaddafi den Protestierern an der Universität. Die UN und zahlreiche Hilfsorganisationen hatten in den vergangenen Monaten die direkten Abschiebungen wiederholt kritisiert. Libyen habe die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet und verfüge über kein ausreichendes Asylrecht.