EZB signalisiert mögliche erste Zinssenkung seit Sommer 2022
Die Europäische Zentralbank (EZB) bereitet den Markt auf eine mögliche Zinssenkung vor, die erste seit Sommer des vergangenen Jahres, und reagiert damit auf die sich abschwächende Inflation. EZB-Präsidentin Christine Lagarde deutete nach der jüngsten Ratssitzung in Frankfurt an, dass man eine weitere Entspannung der Preisanstiege feststellt und im Juni, gestützt auf frische Daten und Prognosen, eine Entscheidung gefällt werden könnte. Einzelne Ratsmitglieder hätten bereits Vertrauen in eine baldige Zinssenkung ausgesprochen. Die Mehrheit präferierte indes eine abwartende Haltung bis zur Präsentation der aktualisierten Wirtschaftszahlen.
Der Blick der Analysten ist ebenfalls auf die nahende Entscheidung gerichtet. Andreas Bley vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken betont, dass nur eine unerwartet starke Lohnentwicklung oder ein Anstieg der Inflation die Pläne durchkreuzen könnten. Thomas Gitzel von der VP Bank erwartet, dass einer Zinssenkung weitere Lockerungen folgen könnten, betont aber, dass eine isolierte Zinssenkung ökonomisch wenig Sinn ergäbe.
Gegenwärtige Zinssätze verharren nach fünf Sitzungen ohne Veränderung bei 4,5 Prozent für kurzfristige Kredite der Banken und bei 4,0 Prozent für Einlagen. Dies schließt eine Serie von zehn aufeinanderfolgenden Zinserhöhungen ab, die als Reaktion auf rekordhohe Inflationsraten nach dem Ukraine-Konflikt eingeführt wurden, um die Wirtschaftskosten für Kredite und somit die Nachfrage zu dämpfen.
Trotz eines Rückgangs der Inflation im Vergleich zum Vorjahresmonat bleibt die EZB wachsam und verfolgt das Ziel einer mittelfristigen Inflationsrate von zwei Prozent. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer mahnt, dass die Inflationsproblematik persistent bleibt, im Gegensatz zu den USA, wo unerwartete Inflationsanstiege zu einer strafferen Zinspolitik führen könnten. EZB-Experten prognostizieren derweil, dass das Inflationsziel erst Mitte 2025 erreicht werden dürfte.
Mit Interesse beobachtet die Fachwelt auch die Rolle der Wechselkurssituation und der rigorosen US-Geldpolitik, wobei EZB und Federal Reserve unabhängige Wege einschlagen könnten. Die unsicheren Wachstumsprognosen der Eurozone, zuletzt auf 0,6 Prozent korrigiert, untermauern die Argumentation für eine potentielle Zinssenkung. (eulerpool-AFX)