EU-Sorgenkind Portugal bittet um Milliardenhilfen

Lissabon/Brüssel (dpa) - Als drittes Land der Europäischen Union hängt künftig auch Portugal am Finanztropf. Der von der Pleite bedrohte Staat bittet um Unterstützung - im Gespräch sind 70 bis 80 Milliarden Euro. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sicherte dem Land «schnellstmögliche» Hilfe zu.

Führende Politiker in Europa begrüßten den Schritt des ärmsten Landes Westeuropas. Die Lage in Portugal und die Schuldenkrise dürfte auch das Treffen der Euro-Finanzminister sowie der 27 EU-Staaten am Freitag und Samstag in Ungarn bestimmen.

Bisher ist Irland das einzige Land, das den Rettungsfonds in Anspruch nimmt. Europäer und der Internationale Währungsfonds (IWF) schnürten im vergangenen November ein Hilfspaket von 85 Milliarden Euro. Für Schuldensünder Griechenland gab es im vergangenen Jahr ein separates Paket mit einem Umfang von 110 Milliarden Euro.

Der geschäftsführende portugiesische Regierungschef José Sócrates hatte die Bitte am Mittwochabend als «unvermeidbar» bezeichnet. Portugal wäre sonst zu hohe Risiken eingegangen. Die finanzielle Lage habe sich nach der Ablehnung des Sparpakets der Minderheitsregierung durch die Opposition am 23. März «dramatisch verschlechtert». Die portugiesische Wirtschaftszeitung «Diario Económico» schrieb am Donnerstag in der Onlineausgabe unter Berufung auf Regierungskreise, Lissabon werde in Brüssel sogar 90 Milliarden Euro beantragen.

Die finanzielle Lage Portugals ist dramatisch. Ratingagenturen hatten nach der Ablehnung des Sparpakets mehrfach die Kreditwürdigkeit Portugals gesenkt. Dementsprechend steigen die Zinsen, die Lissabon am Kapitalmarkt für neue Schulden zahlen muss, rapide. Bislang hatte die portugiesische Regierung die Möglichkeit eines Hilfsantrags stets zurückgewiesen und darauf hingewiesen, sie sei vor den Neuwahlen am 5. Juni auch gar nicht dazu befugt.

Die Lage zusätzlich belasten könnte die Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie könnte Gift für die schwächelnde Konjunktur in Ländern sein, die bereits durch die öffentlichen Einsparungen schwer belastet wird.

Höhere Zinsen können den Preisauftrieb bremsen, sie verteuern aber auch Kredite. Europas Währungshüter hoben am Donnerstag wegen der steigenden Inflationsgefahren den Leitzins im Euro-Raum um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent an.

Kommissionspräsident Barroso, einst portugiesischer Regierungschef, hat «Vertrauen in Portugals Fähigkeit, die derzeitigen Probleme zu überwinden». Der Rettungsfonds EFSF könnte bis zu 250 Milliarden Euro an klamme Eurostaaten ausleihen. Im Gegenzug wird ein striktes Sparprogramm verlangt.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bezeichnete das Hilfeersuchen als «vernünftigen und notwendigen Schritt». Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, Portugal habe eine «sehr verantwortliche Entscheidung» getroffen. «Das wird, so denken wir, die Lage beruhigen. Und es ist ein Beitrag dazu, dass die Probleme begrenzt werden und die Ansteckungsgefahr minimiert wird.»

Eurostaaten mit schweren Finanznöten können seit dem vergangenen Jahr unter einen milliardenschweren Rettungsschirm schlüpfen und damit eine Pleite verhindern. Kernstück des Kriseninstrumentariums ist der Rettungsfonds EFSF in Luxemburg. Er gibt in einem Notfall an den Finanzmärkten Anleihen heraus und reicht das erlöste Geld an den klammen Staat weiter.

Als nächster Kandidat für den Rettungsschirm gilt am Finanzmarkt nun Spanien. Die Regierung allerdings hält es für «total ausgeschlossen», dass Madrid nach Lissabon die EU ebenfalls um Finanzhilfen bitten muss. Die wirtschaftliche Lage unterscheide sich stark von der in Portugal, betonte die spanische Wirtschafts- und Finanzministerin Elena Salgado. Die Risikoaufschläge, die der spanische Staat für seine Anleihen an Zinsen zahlen muss, seien seit Jahresbeginn um 30 Prozent gesunken. Damit sei es für Spanien billiger geworden, seine Schulden zu finanzieren.

Auch die EU-Kommission sieht keine Ansteckungsgefahr. «Spanien ist auf gutem Weg», sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. «Die spanische Wirtschaft steht vor Herausforderungen, aber bis jetzt erfüllt Spanien seine Aufgaben.» Die EU-Kommission werte den strikten Sparkurs und die Strukturreformen positiv und sehe keine Analogien zum Nachbarland Portugal.

Die deutsche Wirtschaft bleibt trotz der Euro-Schuldenkrise und Risiken in der Weltwirtschaft auf kräftigem Wachstumskurs. Die führenden Forschungsinstitute rechnen für dieses Jahr mit einer Zunahme der Wirtschaftsleistung um 2,8 Prozent. Ob nach Portugal auch Spanien unter den Rettungsschirm der Euro-Partner flüchten sollte, ließen die Institute offen. Die Wirtschaft Spaniens sei aber deutlich besser aufgestellt als die Portugals.

Die Experten gehen aber von einer Umschuldung Griechenlands aus, bei der Geldgeber einen Teil ihrer Forderungen abschreiben müssten. Die griechische Staatsverschuldung steige so rasant, so dass eine Rückzahlung aller Schuldtitel ohne Abstriche äußerst schwerfalle.

EU / Finanzen / Portugal
07.04.2011 · 22:53 Uhr
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