
«Deutsches Reich» - Für Reichsbürger ist die BRD eine GmbH
Neue Nazis, alte Nazis oder einfach nur bekloppt? Wer in der vergangenen Woche davon hörte, dass sich bei einer Verkehrskontrolle auf der A8 ein Paar mit Dokumenten des «Deutschen Reichs» ausweisen wollte, musste erstmal schmunzeln. Das sind Freaks, so wie diese pseudoreligiöse Vereinigung, die im Führerschein ein Nudelsieb auf dem Kopf trägt, könnte man denken.
Doch wie die Polizei in Traunstein feststellen musste, hatte sie es nicht mit spinnerten Einzeltätern zu tun, sondern mit sogenannten «Reichsbürgern», Mitgliedern einer von diversen Vereinigungen, die behaupten, noch immer im Deutschen Reich zu leben. Je nach Gruppierung ist die Bundesrepublik für sie entweder eine GmbH, eine NGO oder eine Selbstverwaltungsorganisation - alles, aber kein Staat. Deshalb tragen sie Fantasiedokumente mit sich herum, die von ihrer Gruppe selbst hergestellt wurden, und schmücken ihre Symbole mit der schwarz-weiß-roten Reichsflagge.
Der Verfassungsschutz hat die Gruppen im Blick, im Großen und Ganzen handele es sich um ein breites Spektrum von Spinnern, heißt es, viele alte Leute. Dr. h.c. Wolfgang Gerhard Günter Ebel war 1980 der erste, der sich zum Präsidenten einer Kommissarischen Reichsregierung (KRR) machte, nach seiner Gruppe werden auch die ihm nachfolgenden Vereinigungen allgemein als KRR bezeichnet.
«Reichsbürger» zahlen weder Steuern noch Bußgelder
Der Jurist Frank Schmidt beobachtet sie seit Jahren und informiert auf seiner Homepage ausführlich über ihre kruden Gedankengebilde. Grundlage ist die besondere staatsrechtliche Situation der Bundesrepublik Deutschland. Offiziell ging das Deutsche Reich mit der Kapitulation der Wehrmacht am 8. Mai 1945 nicht unter, sondern bestand fort und ging in der Bundesrepublik auf. Diese ist also nicht Nachfolger, sondern identisch mit dem Deutschen Reich. Das Bundesverfassungsgericht hat dies seit den 1950er Jahren mehrfach bestätigt.
Die selbst ernannten Reichsregierungen hingegen drehen den Spieß um und behaupten, das Deutsche Reich bestehe weiter. Ihre trotzige Konsequenz: Sie ignorieren Bußgeld- oder Steuerbescheide und erkennen Gerichtsurteile nicht an. Stattdessen fahren sie komplette Regierungen mit einem fiktiven Beamtenapparat, Richtern und Staatsanwälten auf, die wiederum mit den Organen der Bundesrepublik in «Rechtsstreit» treten. Denn Verfahren wegen Amtsanmaßung, Urkundenfälschung und Steuerhinterziehung sind bei «Reichtsbürgern» logischerweise an der Tagesordnung.
Laut Verfassungsschutz ist die Reichsbürgerschaft für viele ein Vehikel, um sich den diversen staatsbürgerlichen Verpflichtungen zu entziehen. Manche der Protagonisten mischen auch bei verschiedenenen «Reichsregierungen» mit, spalten sich mit einer eigenen Gruppe ab oder ernennen und entlassen sich gegenseitig.
Warum die «Philosophen» rassistisch und volksverhetzend sind
Die bundesdeutschen Gerichte reagieren auf ihre «Konkurrenz» teilweise mit Humor: «Das Bonner Grundgesetz ist unverändert in Kraft. Eine deutsche Reichsverfassung, eine kommissarische Reichsregierung oder ein kommissarisches Reichsgericht existieren ebenso wenig, wie die Erde eine Scheibe ist», befand beispielsweise das Amtsgericht Duisburg 2006.
Doch bei kurios und krude bleibt es eben nicht. Revisionismus und Rechtsextremismus gehen Hand in Hand. So freut sich die «Selbstverwaltung Deutsches Reich», dass Spanien die Leugnung des Holocausts als Meinungsäußerung erlaubt. Der Verfassungsschutz Brandenburg nennt als Reichsbürger unter anderem Dr. Reinhold Oberlercher vom rechtsextremen Deutschen Kolleg, den vom Links- zum Rechtsextremismus konvertierten Horst Mahler und Meinolf Schönborn, den Ex-Vorsitzenden der 1992 verbotenen Nationalistischen Front.
Auf einer ganz anderen Gefahrenstufe aber bewegt sich die sogenannte Reichsbewegung, die sich auch als «Neue Gemeinschaft von Philosophen» bezeichnet. Am 2. Februar tauchte auf ihrer Internetseite ein Hetzschreiben auf, das an viele Moscheen und jüdische Gemeinden verschickt wurde. Dort werden explizite Drohungen gegen Ausländer ausgesprochen, «insbesondere an Türken, Muslime und Negroide (Schwarze u. Halbschwarze)», wie es in dem Schreiben heißt.
Für den Verfassungsschutz ist klar: Dies ist kein heimatverliebter Revisionismus mehr, sondern klarer Rassismus und Volksverhetzung, mit der Einzeltäter oder Gruppen zur Gewalt angestachelt werden. Wer dahinter steckt, sei allerdings noch nicht bekannt.