Biontech zündet die nächste Stufe – erste Krebstherapie könnte 2026 zugelassen werden
Am Rand eines Industriegebiets in Mainz-Hechtsheim, hinter Sicherheitszaun und Schleuse, steht der „Innovation Hub“ von Biontech. Wo früher Getränke lagerten, entstehen heute hochsensible mRNA-Moleküle. Durch große Glasflächen können Besucher sehen, wie Laborteams in Reinräumen Pipetten bedienen, Sequenzen analysieren und winzige Mengen mRNA herstellen – Material, das später in der klinischen Entwicklung gegen Krebs eingesetzt wird.
2026: Die erste Zulassung?
Nach Jahren der Vorbereitung spricht das Unternehmen erstmals offen von einem Zieljahr: 2026. Dann könnte Biontech sein erstes Krebsmittel auf den Markt bringen. Noch ist Comirnaty das einzige Produkt im Portfolio. Doch die Nachfrage nach Covid-Impfstoffen sinkt – und Biontech investiert aggressiv in Onkologie.
Für 2025 erwartet das Unternehmen einen Verlust. Gleichzeitig liegen 16,7 Milliarden Euro liquide Mittel bereit. Geldmangel ist nicht das Problem. Zeit hingegen schon.
Im Fokus stehen drei Therapieplattformen:
1. Antikörpertherapien
Der Antikörper Pumitamig, gemeinsam mit Bristol Myers Squibb entwickelt, befindet sich in vier entscheidenden Studien gegen Brust- und Lungenkrebs.
2. Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC)
Mit dem chinesischen Unternehmen DualityBio arbeitet Biontech an zielgerichteten ADCs – einer Art „Chemotherapie mit Navigationssystem“. Gespräche mit der US-Zulassungsbehörde FDA über einen Antrag laufen bereits.
3. mRNA-Krebstherapie
Die bekannteste Technologie des Unternehmens. mRNA soll Immunzellen dazu bringen, Tumore gezielt zu attackieren – ähnlich wie der Corona-Impfstoff, aber ungleich komplexer.
„Unsere Vision ist, Patienten eine individuell auf ihren Tumor zugeschnittene Therapie bieten zu können“, sagt Michael Wenger, Mitglied der Leitung der klinischen Entwicklung. Heilung verspreche niemand, aber eine deutliche Lebensverlängerung sei möglich.
Mehr als 20 klinische Studien der Phasen 2 und 3 laufen bereits. Insgesamt arbeiten die Mainzer an 18 unterschiedlichen Kandidaten.
Curevac-Übernahme – strategischer Vorteil für Biontech
Biontech kauft derzeit Curevac – ausgerechnet den einst größten deutschen mRNA-Konkurrenten. Ein Schritt, der Patente sichert, Know-how bündelt und Marktanteile schützt. Biontech will seinen Vorsprung verteidigen.
Corona bleibt vorerst wichtig – Impfquote schwach
Trotz neuer Ausrichtung bleibt der Corona-Impfstoff vorerst die wichtigste Umsatzquelle. Doch die Impfquote in Deutschland bleibt niedrig. Clara Lehmann, Leiterin der Infektionsambulanz der Uniklinik Köln, bringt es auf den Punkt:
„Die Zahl der schweren Verläufe ließe sich deutlich reduzieren, wenn mehr Menschen den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission folgen würden.“
Ein internes Modell von Biontech zeigt: höhere Impfquoten sparen Milliarden an Folgekosten im Gesundheitswesen.
Zurück zum Ursprung
Dass Biontech überhaupt einen Covid-Impfstoff entwickelte, war nie das ursprüngliche Ziel. Die Gründer Uğur Şahin und Özlem Türeci wollten Krebs bekämpfen – der Corona-Impfstoff war nur der schnellste Weg, die Technologie in die Anwendung zu bringen.
Jetzt, fünf Jahre nach Beginn der Pandemie, kehrt Biontech zu seinem ursprünglichen Auftrag zurück: Krebs multimodal angreifen – mit Antikörpern, ADCs und mRNA in Kombination.
2026 könnte das Jahr sein, in dem sich entscheidet, ob Biontech mehr ist als „der Corona-Konzern“.


