Arbeitswelt in Deutschland 2022 – Trends und Entwicklungen
Die Arbeitswelt 2022 wird in Deutschland von zwei starken Trends geprägt. Der Haupteinfluss liegt im weltweiten digitalen Wandel, der sich immer schneller vollzieht. Der zweite Trend hat mit der Corona-Krise zu tun. Denn er verstärkt den digitalen Strukturwandel und wirft zugleich ganz neue organisatorische und rechtliche Fragen auf. Hier ein Überblick über die wichtigsten Entwicklungen:
Wandel der Berufsbilder vollzieht sich immer schneller
Die Digitalisierung schüttelt den Arbeitsmarkt durch. Statistisch haben 19 % der deutschen Unternehmen Arbeitsplätze abgebaut. 70 % der Unternehmen stimmen zu, dass schwere körperliche Arbeit in Zukunft von Robotern erledigt werden sollen. In bestimmten Branchen und Berufsbildern müssen Arbeitnehmer entlassen werden. Aber in anderen werden sie händeringend gesucht. Was sich 2022 als Trend abzeichnet: Die Arbeitnehmer müssen mit den Veränderungen Schritt halten können. Sie benötigen regelmäßig Weiterbildungen oder Umschulungen. Die Arbeitswelt verändert sich kontinuierlich. Deshalb ist eine stetige Anpassung der Berufsbilder unverzichtbar. Teilweise stellt sich damit auch die Frage nach neuen Arbeitsmodellen. Denn manche Berufsbilder sind nur zeitweilig in den Betrieben wichtig. Ein Beispiel ist der Chief Digital Officer. Seine Aufgabe ist es, den digitalen Wandel im Unternehmen zu organisieren und zu steuern. Derartige Stellen sind nur für einen bestimmten Zeitabschnitt unverzichtbar. Aber was dann? Solche Fachkräfte könnten nacheinander temporär in mehreren Unternehmen arbeiten. Für solche neuartigen Berufsbilder entsteht jetzt erst langsam ein Verständnis.
Neue Arbeitskultur und neue Bürowelten
In den vergangenen zwei Jahren sind Millionen Angestellte für kürzere oder längere Zeit ins Home-Office geschickt worden. Dieser Corona-Effekt hat zu neuen Arbeitserkenntnissen geführt. Viele Angestellte haben im Home-Office erkannt, wie wichtig die täglichen Begegnungen mit Kollegen sind. Das soziale Miteinander ist ein Missing-Link am Heimarbeitsplatz. Oder anders formuliert: Das Home-Office liegt an der Schwelle zum privaten Familienleben. Abgrenzungen sind schwerer zu bewältigen, als wenn die Arbeit direkt im Unternehmen geleistet wird. Das weckt Sehnsucht zur Rückkehr in die betrieblichen Arbeitsplätze. Gleichzeitig gibt es Vorteile im Home-Office. Für eine kleine Pause steht die Coach im Wohnzimmer immer bereit. Das ist im Büro meistens nicht mehr Fall. Die private Umgebung ist intimer und gemütlicher als in einem 08/15-Büro. Alle diese Erfahrungen erzeugen einen Trend zur Neugestaltung von Bürowelten. Es geht um mehr Wohnlichkeit, aber auch darum, kleine Treffpunkte für Kollegen zu schaffen. Dieser Prozess ist frisch in Gang gekommen und eröffnet kreative und noch unbekannte Möglichkeiten. Das wird zukünftig die räumliche und soziale Gestaltung von Arbeitsplätzen stark verändern.
Diversität und transparente Gemeinschaft sind im Kommen
Noch immer ist Diversität in der Arbeitswelt begrenzt. In den Führungsetagen sitzen mehr Männer als Frauen. Kulturelle Vielfalt ist selten selbstverständlich. Höheres Alter ist weiterhin oft ein K.O.-Kriterium bei Neuanstellungen. Inklusion klingt gut, aber in der Praxis kann es schon an der fehlenden Rollstuhl-Toilette scheitern. 2022 zeigt sich jedoch der Trend, dass viele Fachkräfte eine Unternehmenskultur mit bewusst gestalteter Diversität als Pluspunkt bewerten. Betriebe, die sich hier aktiv engagieren, haben höhere Chancen auf dem Fachkräftemarkt als solche, die sich in eingespielten Mustern bewegen. Das gilt auch für Transparenz und Gemeinschaftlichkeit in Entscheidungsprozessen. Trifft das Management einsam hinter verschlossenen Türen seine Entscheidungen, wirkt das immer weniger zeitgemäß. Welchen wertvoll Feedback und Transparenz sind, ist vielen Arbeitnehmern gerade durch die Corona-Krise bewusst geworden. Denn nun fällt sogar das Schwätzchen in der Kaffeeküche weg und macht bewusst, welche Bedeutung die Gemeinschaft im Arbeitsalltag hat.
Remote-Arbeit stellt Fragen an die Gehaltshöhe
Eine neue Arbeitskultur entsteht, bei der Angestellte nicht mehr vor Ort anwesend sein müssen. Die Zeiten im Corona-Home-Office haben die Offenheit für Remote-Arbeitsplätze befördert. Es entsteht in den Unternehmen ein neuer Anstellungsmix. Einige Angestellte arbeiten vor Ort, andere sind remote tätig und wohnen weit weg – eventuell sogar im Ausland. Wiederum andere arbeiten meistens im Home-Office, aber kommen für einen Tag in der Woche ins Unternehmen. Gerade die Remote-Arbeitsplätze machen aber möglich, dass der Wohnort eines Arbeitnehmers nicht mehr in jedem Fall entscheidend für eine Anstellung ist. Das eröffnet eine neue Frage: Nach welchen Regeln bemisst sich das Gehalt? Man denke daran, wie unterschiedlich die Lebenskosten und Gehälter in Deutschland je nach Region sind. Wenn das Unternehmen in München sitzt und ein Remote-Angestellter lebt in Cottbus – was ist jetzt ein angemessenes Gehalt? Soll es an die Lebenshaltungskosten in München angepasst sein oder an den üblichen Stundenlohn in Brandenburg angepasst werden? Solche Fragen spielen 2022 eine ganz neue Rolle und müssen auch rechtlich geklärt werden.
Fachkräftemangel und Entfaltungsräume
2022 ist der Fachkräftemangel weiterhin sehr brisant. Was viele Nachwuchskräfte suchen, ist aber mehr als nur eine feste Anstellung. Der Arbeitsplatz soll Entwicklungsmöglichkeiten bieten und Talente fördern. Schon ein traditionelles Stellenangebot schreckt viele ab, wenn darin die Aufgaben strikt festgelegt sind. Die Qualifikation wird eher als berufliche Ausgangslage gesehen. Vom Arbeitgeber wird allerdings gewünscht, dass er Fähigkeiten und Begabungen gezielt fördert. Eine Arbeitsstelle soll persönliche Entwicklungschancen ermöglichen – sei es durch Weiterbildung oder berufliche Herausforderungen, die schlummernde Talente wecken. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel müssen Unternehmen im Jahr 2022 besonders deutlich machen, wie sie die Potentiale ihrer Mitarbeiter unterstützen und fördern. Sonst wandern die Talente zum Konkurrenzunternehmen.
Haltung zeigen – Identifikationspotential bieten
Noch vor einigen Jahren hielten sich Unternehmen klar zurück, wenn es um gesellschaftliche, ökologische oder politische Themen ging. Sie wollten auch nicht mit bestimmten ethischen Normen und Werten in Verbindung gebracht werden. Es war schlicht verpönt. Doch auch verändert sich und zeigt sich als Trend in 2022. Mitarbeiter wollen wissen, welche Werte die Geschäftsführung eines Unternehmens vertritt. Es gewinnt an Bedeutung, ob ein Unternehmen ernsthaft Nachhaltigkeitsziele verfolgt. Wie es zur Geschlechtergerechtigkeit steht. Ob es die Welt ein Stück besser machen möchte. Viele Angestellte wünschen sich Identifikationspotential. Das ist wichtig. Denn die sich verändernde Arbeitskultur fordert immer stärker die sozialen, interdisziplinären und kreativen Kompetenzen von Mitarbeitern. Diese Soft Skills leben letztlich von Empathie, Toleranz und Gemeinschaftssinn. Die Entwicklung geht Hand in Hand. Die oft gewünschte Eigeninitiative der Mitarbeiter entsteht umso mehr, je deutlicher sich die die Angestellten mit den Werten ihres Unternehmens identifizieren.
Fazit
Im Jahr 2022 setzen sich viele Trends fort, die sich schon in den vergangenen Jahren angekündigt haben. Der Corona-Effekt hat von vielen Menschen starke Flexibilität gefordert. Dass sich die Arbeitswelt wandelt, ist dabei stärker zu Bewusstsein gekommen. Viele Entwicklungen werden sich noch schneller vollziehen. Sie legen den Grundstein für weitere Umbrüche in der Arbeitswelt – hin zu mehr sozialem Zusammenhalt und Flexibilität.


