Analyse: Wenig Spenden für Pakistan

Köln (dpa) - Lässt das Leid in Pakistan die Deutschen kalt? Von der sonst großen und verlässlichen Spendenbereitschaft ist diesmal noch wenig zu sehen. «Nach ersten groben Schätzungen sind bisher ein bis zwei Millionen Euro für die Opfer in Pakistan gespendet worden.

Beim Tsunami 2004 waren da schon dreistellige Millionensummen zusammengekommen, ähnlich war es in Haiti», sagt Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), der Nachrichtenagentur dpa.

Verunsicherung spielt eine Rolle. Pakistan werde von vielen auch mit Terror, Taliban, Islamisten und Korruption verbunden, meinen Wilke und viele Hilfsorganisationen. «Wenn es Spendern auf den ersten Blick schwerfällt, Gut und Böse in einem Land zu unterscheiden, ist es grundsätzlich auch schwieriger mit der Spendenbereitschaft. Leichter ist es immer, wenn es sich um politisch unbelastete Gebiete handelt», sagt Wilke. Bei Unicef in Köln wird von wenigen Einzelstimmen gesprochen, die auf Vorurteile und Ablehnung hinweisen. «Ich helfe keinem Muslim», heißt es da einmal.

«Pakistan hat ein schwieriges Image», sagt Birte Steigert vom Bündnis Aktion Deutschland Hilft - kurz ADH. «Es gibt eben auch Leute, die sagen: "Für Pakistan keinen Cent". In den meisten Fällen bestehen aber Ängste und Sorgen, dass die Gelder in Pakistan nicht bei den Notleidenden ankommen, sondern in die Hände von Taliban oder korrupter Regierung gelangen.»

Bisher gingen beim ADH 600 000 Euro ein, beim Erdbeben in Haiti waren es zum gleichen Zeitpunkt 1,4 Millionen Euro. «Das reicht bei 20 Millionen Opfern natürlich hinten und vorne nicht, auch wenn es allmählich etwas besser wird. Die Deutschen sind sonst ganz große Spender», meint Steigert und hofft auf Zuwachs - auch die Ferienzeit geht schließlich zu Ende. Andere Organisationen wie Help oder Care befürchten ebenfalls, dass bei Pakistan viele an Terror und Gewalt denken und dass das die spontane Hilfsbereitschaft schmälert.

Erstaunlich wirkt aber, dass die Spendenbereitschaft beim Erdbeben in Pakistan 2005 riesig war. «Es muss also noch andere Gründe geben. Wir haben es diesmal mit einer schleichenden Katastrophe zu tun. Die Ausmaße und die Dramatik werden erst allmählich deutlich und damit auch darstellbar und bebilderbar», sagt Steigert. Ein Erdbeben mit vielen Toten auf einen Schlag gehe sofort unter die Haut und löse Mitgefühl aus, glaubt die Sprecherin des ADH, dem zehn Hilfsorganisationen wie Care, Malteser oder World Vision angehören.

Auch Wilke meint, es könne an vergleichsweise wenig eindringlich wirkenden Bildern liegen: «Private Spenden sind an das Gefühl der persönlichen Betroffenheit geknüpft, dafür braucht man Berichte und Bilder, die aufrütteln», betont der DZI-Geschäftsführer. «Beim Tsunami waren die Bilder ungewöhnlicher und aufrüttelnder. Und so tragisch es klingt: Hohe Zahlen von Todesopfern schockieren mehr als Bilder von Überlebenden aus Überschwemmungsgebieten, auch wenn gerade diese ja die Hilfe dringend brauchen.»

Laut den Vereinten Nationen die Katastrophe noch größer als das Beben in Haiti oder der Tsunami 2004. Die nationale Katastrophenschutzbehörde zählte bisher 1463 Tote und 2024 Verletzte. Rund 20 Millionen Menschen sind obdachlos - jeder achte Einwohner Pakistans.

Doch wenn nur wenig Spenden eingehen, könnte weitere Not- und Überlebenshilfe gefährdet sein, befürchten die Hilfsorganisationen.

Auch die Deutsche Welthungerhilfe ist in Sorge und ruft eindringlich zu Spenden auf. Erst 250 000 Euro sind zusammengekommen - viel zu wenig, wie Präsidentin Bärbel Dieckmann beklagt. Es sei eine «humanitäre Pflicht, Pakistan zu helfen», appelliert sie in der «Berliner Zeitung» und macht deutlich: «Die meisten Opfer haben keine Häuser mehr, keinen Acker, keine Lebensgrundlage. Jetzt drohen Krankheiten und Seuchen.»

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigt Anteilnahme, ihr neuer Sprecher Steffen Seibert bedauert, dass die Spendenbereitschaft noch nicht so groß sei.

Zwar ist die Soforthilfe längst angelaufen, aber: «Es geht jetzt darum, diese Hilfe auszuweiten, da sind wir dringend auf mehr Spenden angewiesen. Allein 2,7 Millionen Mädchen und Jungen brauchen schnelle Hilfe zum Überleben, Zelte, sauberes Trinkwasser», betont Unicef- Sprecherin Helga Kuhn.

Nach ersten Schätzungen gingen nach einem schleppenden Start beim UN-Kinderhilfswerk in Deutschland nun gut 600 000 Euro ein. «Da kommt noch was», hofft Kuhn. «Wir können nur immer wieder deutlich machen, dass viele unschuldige Opfer dringend Hilfe brauchen und dass die Hilfsgüter - streng überwacht - wirklich und ausschließlich bei den Notleidenden ankommen.»

Wetter / Unwetter / Pakistan
16.08.2010 · 21:40 Uhr
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