Analyse: FDP-Votum nicht nur Freude für Union

Berlin (dpa) - Öffentlich Genugtuung bei der Union. Angriffslust bei der SPD. Die Koalitionsaussage der FDP zugunsten von CDU und CSU konnten die Noch-Großkoalitionäre am Montag naturgemäß kaum einheitlich bewerten.

Nach dem Votum der Liberalen ist auch dieser Bundestagswahlkampf in der Schlusswoche wieder zu einem Lagerwahlkampf geworden. Die Haltung der FDP birgt Chancen und Risiken - für die SPD, aber auch für Union und Kanzlerin.

Auf dieses Signal hatten Angela Merkel und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla lange gewartet. Immer wieder hatten beide von den Liberalen ein klares Koalitions-Bekenntnis zur Union verlangt. Nun, nachdem sich die FDP angetrieben durch ihren Chef Guido Westerwelle zu Schwarz-Gelb bekannt hat, jubelt Pofalla in der CDU-Zentrale: Außenminister Frank-Walter Steinmeier habe «keine Chance mehr, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland zu werden». Der SPD fehle jede Machtperspektive. Die Bundestagswahl werden nun zu einer «Richtungsentscheidung».

Doch die Entscheidung der FDP ist selbst für die Union zwiespältig. Zwar kann die Union nun anders als die SPD den Wählern nun das Ziel eines Bündnisses ankündigen, das auch von dem anderen Partner per Beschluss mitgetragen wird. Das ist eine bessere Position als die der SPD. Die Sozialdemokraten können derzeit lediglich die Hoffnung verbreiten, dass vielleicht die Liberalen am Ende zugunsten einer Ampel-Koalition umfallen. Oder die Union, hier gilt auch ein dickes «Vielleicht», doch wieder zu einer großen Koalition bereit ist.

Doch wird die Union für den Schwur von Westerwelle und Co. vermutlich einen empfindlichen Preis zahlen müssen. Bereits bei der vergangenen Bundestagswahl gingen sage und schreibe 904 000 Stimmen von ehemaligen CDU-Wählern zur FDP und ließen sie 2005 von 7,4 auf 9,8 Prozent erstarken. Die Union hingegen schrumpfte vor allem wegen dieses Aderlasses von 38,5 auf 35,2 Prozent.

Dieses Phänomen könnte sich am kommenden Sonntag nach Ansicht vieler in der Union sogar noch verstärken. Fest wird davon ausgegangen, dass die FDP diesmal zweistellig wird, vor allem dank der Stimmen von potenziellen Unions-Wählern. Bei den Liberalen wird offen zugegeben, dass zumindest ein Hauptmotiv für die Koalitionsaussage die Aussicht auf Stimmenfang bei der Union war. Denn auch den Liberalen ist bekannt, dass es reichlich Unions-Wähler gibt, denen der Kurs der Kanzlerin und Parteivorsitzenden zu sozialdemokratisch ist. Leute, die sich bei den Markt-Liberalen mittlerweile besser aufgehoben fühlen.

Im Endeffekt könnte dies am Ende darauf hinauslaufen, dass die Union rund um die 35 Prozent verharrt, also knapp unter dem Schnitt der bisherigen Umfragen. Das wäre ein schwieriges Ergebnis für Merkel, weil unions-intern ihr Kurs zur weiteren Öffnung der Mitte infrage gestellt werden dürfte. Keine Verbesserung gegenüber 2005 trotz vier Jahren Kanzlerschaft, dies würde nicht jeder in der Union verstehen. Selbst wenn sie Kanzlerin einer schwarz-gelben Koalition würde. Eine Debatte über die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz wäre nicht ausgeschlossen.

Auffällig entspannt reagierte hingegen die SPD-Spitze auf den «Unvereinbarkeits»-Beschluss der Freien Demokraten. Ihn habe das Ganze nicht besonders überrascht, verkündete der Kanzlerkandidat nach der Sitzung des SPD-Präsidiums. Die Verantwortung dafür liege vor allem beim FDP-Vorsitzenden. «Hans-Dietrich Genscher ist der dienstälteste Außenminister in Deutschland. Es könnte sein, dass Guido Westerwelle auf dem Weg ist, der dienstälteste Oppositionsführer in Deutschland zu werden», stichelte Frank-Walter Steinmeier. Mit dem FDP-Nein zur Ampel fühle er sich aber keineswegs seiner wichtigsten Machtoption für das Kanzleramt beraubt.

Der SPD-Parteichef zielte in die gleiche Kerbe. «Wir sind gelassen, aber nicht blöd», meinte Franz Müntefering zur Stimmung nach dem FDP-Nein. Bislang sei es unter den demokratischen Parteien guter Brauch gewesen, keinem von vornherein die Koalitionsfähigkeit abzusprechen: «Wer sich davon ausschließt, muss wissen was er tut.» Die Behauptung, dass es nur mit Schwarz-Gelb die gewünschte Klarheit gebe, glaubten nicht einmal deren Anhänger. Das «organisierte Chaos der Eitelkeiten» sei mit Westerwelle und Seehofer schon jetzt vorprogrammiert.

In der SPD-Führung sieht man in der FDP-Festlegung auch taktische Vorteile für die eigene Kampagne im Schlussspurt. Nach der schroffen Absage Westerwelles könne man den noch zögernden eigenen Anhang am 27. September besser mobilisieren, glaubt zumindest die SPD-Zentrale. Zudem setzt man darauf, bei den Grünen und eventuell bei der Linkspartei am Sonntag zusätzliche Erststimmen abzuzweigen.

Wahlen / Bundestag / CDU / CSU / SPD
21.09.2009 · 16:30 Uhr
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