Wulff bleibt Favorit bei Präsidentenwahl
Ein Auseinanderbrechen der Koalition wurde in der Regierung auch für den Fall einer Niederlage des niedersächsischen Ministerpräsidenten gegen den Kandidaten von SPD und Grünen, Joachim Gauck, ausgeschlossen.
Die Bundestagsparteien warben bis zuletzt für ihre Kandidaten. Die SPD-Führung freut sich zwar über den Wirbel um Gauck, rechnet aber letztlich nicht mit dessen Wahlerfolg.
Gauck hat nur eine reelle Chance, wenn im dritten Wahlgang zahlreiche Wahlleute der Linkspartei für ihn stimmen. Das ist wegen kritischer Äußerungen des früheren Leiters der Stasi-Unterlagen- Behörde und gravierender inhaltlicher Differenzen unwahrscheinlich. Die Linke will ihr Verhalten bis zu einem dritten Wahlgang der Bundesversammlung am Mittwoch offen lassen.
Linken-Fraktionschef Gregor Gysi sagte am Dienstag nach einer Diskussion seiner Fraktion mit Gauck: «Wenn es wirklich einen dritten Wahlgang geben sollte, dann brauchen wir nach dem zweiten eine längere Pause.» Er vermute aber, dass sich an der kritischen Haltung der Abgeordneten zu Gauck nichts geändert habe.
CDU-Vize Wulff sagte am Rande eines Treffens mit den Wahlleuten von Union und FDP in Berlin: «Ich bin aufgrund der vielen Reaktionen doch sehr zuversichtlich, dass es schon im ersten Wahlkampf klappen könnte.» Bei Präsidentenwahlen habe noch nie ein Kandidat alle rechnerisch möglichen Stimmen auf sich vereinen können. Wulff traf sich im Reichstag nochmals mit einigen Wahlmännern und -frauen von Union und FDP, um für Unterstützung zu werben.
FDP-Chef Guido Westerwelle rechnet innerhalb der von seiner Partei in die Bundesversammlung entsandten Wahlleuten bei drei bis vier Abweichlern mit einer «überragenden Mehrheit» für Wulff. Er wollte sich aber nicht festlegen, ob dieser schon im ersten Wahlgang die nötige absolute Mehrheit der 1244 Wahlleute erreichen werde.
Auch Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) rechnet mit einem sicheren Sieg Wulffs. «Ich würde mich sehr freuen, wenn es im ersten Wahlgang gelänge, aber im zweiten wäre es auch okay», sagte er im ZDF. Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) betonte ähnlich wie Westerwelle: «Für uns ist entscheidend, dass am Ende des morgigen Tages der Präsident Christian Wulff heißt.» CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich geht davon aus, dass Wulff im ersten Durchgang gewählt wird. «Wenn nicht, dann brauchen wir einen zweiten oder dritten.»
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, sagte, die Erfolgsaussichten Gaucks seien angesichts des komfortablen Vorsprungs der Koalition «sehr überschaubar». Die Nominierung Gaucks sei für die SPD trotzdem «ein großer politischer Erfolg». Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im ZDF»: «Es ist doch mal schön in der Demokratie, dass wir eine spannende Abstimmung haben.» Gauck sei auch für Konservative wählbar.
Horst Köhler war vor gut einem Monat nach umstrittenen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr als Bundespräsident zurückgetreten. Die Bundesversammlung, die in geheimer Abstimmung wählt, setzt sich aus den 622 Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen Vertretern aus den Ländern zusammen. Von den 1244 Wahlleuten entfallen auf Schwarz-Gelb 644 Sitze - 21 Stimmen mehr als die absolute Mehrheit von 623 Stimmen.
Im Fall seiner Wahl zum Bundespräsidenten tritt Wulff als Ministerpräsident von Niedersachsen mit «sofortiger Wirkung» zurück. Dazu würde er die Amtsgeschäfte vorübergehend seinem Stellvertreter, FDP-Wirtschaftsminister Jörg Bode, übertragen. Nach der Wahl hält der Gewählte seine erste Ansprache als Bundespräsident. Das neue Staatsoberhaupt wird dann am Freitag in einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat vereidigt.