Tschechiens Präsident ratifiziert EU-Reformvertrag

Prag/Brno (dpa) - Der EU-Reformvertrag hat nach jahrelangen Turbulenzen die letzte Hürde genommen und kann nun am 1. Dezember europaweit in Kraft treten. Der EU-kritische tschechische Präsident Vaclav Klaus unterschrieb am Dienstag als letztes Staatsoberhaupt der EU den Lissabon-Vertrag.

Nur wenige Stunden zuvor hatte das tschechische Verfassungsgericht in Brno (Brünn) grünes Licht für das Regelwerk gegeben. «Die Entscheidung des Verfassungsgerichts habe ich erwartet und respektiere ich, auch wenn ich mit deren Inhalt und Begründung grundsätzlich nicht einverstanden bin», sagte Klaus. Die EU und zahlreiche europäische Regierungschefs begrüßten den Schritt des Präsidenten.

Der schwedische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Fredrik Reinfeldt, der sich zum EU-USA-Gipfel mit Präsident Barack Obama in Washington aufhielt, kündigte einen EU-Sondergipfel in Brüssel an. Dabei solle über die neuen EU-Topposten eines Außenministers und eines Ratspräsidenten beraten werden. Diplomaten nannten als wahrscheinlichen Termin den 12. November. «Diese Unterschrift beendet eine allzu lange Phase der Konzentration auf die EU-Institutionen», sagte Reinfeldt.

Am Vormittag hatte das Verfassungsgericht in Brno (Brünn) den EU- Reformvertrag für vereinbar mit tschechischem Recht erklärt. Die Entscheidung der 15 Richter fiel einstimmig und sei nicht anfechtbar, sagte der Vorsitzende Richter Pavel Rychetsky. Geklagt hatte eine Gruppe von 17 EU-kritischen Senatsabgeordneten.

Damit der EU-Reformvertrag in Kraft treten kann, müssen die Ratifizierungsurkunden von allen 27 EU-Mitgliedsstaaten in Rom hinterlegt sein. Die EU verbindet mit dem Lissabon-Abkommen Strukturreformen. Es soll den Nizza-Vertrag als bisherige Rechtsgrundlage der EU ersetzen und Entscheidungen der 27 EU- Mitgliedsländer erleichtern. Als vorletztes Land hatte sich Irland am 2. Oktober in einem zweiten Referendum für den Vertrag ausgesprochen. Danach war Tschechien das letzte der 27 EU-Länder, das den Vertrag noch nicht ratifiziert hatte. Um 15 Uhr, so Klaus, habe er unterschrieben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwartet eine Stärkung der EU: «Die Europäische Union wird im Innern demokratischer und nach außen stärker und selbstbewusster sein», zitierte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm die Kanzlerin in einer in Berlin verbreiteten Erklärung. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte in Brüssel: «Das ist gut für Europa und auch gut für Deutschland. Das ist ein Tag, an den wir uns lange erinnern werden... .»

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte in Washington am Rande des EU-USA-Gipfels: «Es ist jetzt völlig klar, dass der Lissabonner Vertrag bald in Kraft treten wird.» Der britische Premierminister Gordon Brown sprach von einem «wichtigen und historischen Schritt für ganz Europa». Der tschechische Ministerpräsident Jan Fischer begrüßte die Entscheidung des Verfassungsgerichts. «Die letzte Hürde ist überwunden, und dem Abschluss der Ratifizierung steht nichts mehr im Wege», sagte er in Prag.

Die tschechischen EU-Gegner, die gegen den Reformvertrag Klage eingereicht hatten, verkündeten, ihren juristischen Widerstand gegen das Abkommen aufzugeben. «Wir sehen die Einspruchsmöglichkeiten als erschöpft an», sagte Senator Jiri Oberfalzer im tschechischen Fernsehen.

Klaus hatte zuletzt für Tschechien ein Aussetzen der EU-Grundrechtecharta durchgesetzt, um sein Land vor Rückgabeforderungen von Vertriebenen zu schützen. Polen und Großbritannien hatten zuvor ebenfalls Ausnahmen für die dem Lissabon-Vertrag angehängte Charta erreicht. Klaus wollte mit seinen Einwänden die umstrittenen Benes-Dekrete, auf deren Grundlage hunderttausende Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben und enteignet wurden, juristisch absichern.

Die britischen Konservativen teilten am Abend mit, dass sie im Falle einer Regierungsübernahme im kommenden Jahr auf ein ursprünglich versprochenes Referendum über den Vertrag von Lissabon verzichten. Eine Volksabstimmung über das EU-Reformwerk sei «nicht mehr möglich», da der Vertrag nun zu europäischem Recht werde, sagte der außenpolitische Experte der Tories, William Hague.

EU / Reformvertrag / Tschechien
03.11.2009 · 22:59 Uhr
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