Tarifeinigung im Nahverkehr Baden-Württembergs: Streiks abgewendet und Attraktivität gesteigert
Nach intensiven Verhandlungen und mehreren Streiktagen ist der Tarifkonflikt im öffentlichen Nahverkehr Baden-Württembergs beigelegt. Sowohl die Gewerkschaft Verdi als auch der Kommunale Arbeitgeberverband (KAV) verkündeten in der Landeshauptstadt Stuttgart die erfolgreiche Einigung. Die Streikandrohung für die Städte Stuttgart, Karlsruhe, Heilbronn, Freiburg, Baden-Baden, Esslingen und Konstanz ist dadurch hinfällig, jedoch steht für die Beschäftigten noch eine finale Urabstimmung aus.
Die gefundenen Vereinbarungen beinhalten verschiedene Verbesserungen für die circa 6500 Angestellten der städtischen Verkehrsbetriebe. Eine schrittweise Reduktion der Wochenarbeitszeit von aktuell 39 Stunden auf 37,5 Stunden wird binnen drei Jahren vollzogen, wobei ein Ausgleich für den Einkommensverlust garantiert ist. Zusätzlich können Arbeitnehmer freiwillig weiterhin 39 Stunden arbeiten und erhalten dafür eine entsprechende Entlohnung.
Ein weiterer Baustein der Einigung ist die Einführung einer Nahverkehrszulage von 150 Euro monatlich ab Juli. Daneben sind Verbesserungen bei Verspätungszuschlägen, Urlaubsgeld und weiteren Zusatzleistungen Teil des Pakets. Insgesamt erhöht sich das monatliche Gehalt eines Angestellten im Fahrdienst um etwa 300 Euro. Mit der Verkürzung der Arbeitszeit erreicht das Gesamtvolumen der Tarifvereinbarungen einen Wert von über zwölf Prozent. Die Laufzeit des Manteltarifvertrags ist bis Ende 2025 festgeschrieben, die Regelungen zur Arbeitszeit erstrecken sich bis 2027.
Verdi zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden und wertet es als Erfolg dank der Unterstützung durch die Streikenden. Die Gewerkschaft betont den Meilenstein der Arbeitszeitverkürzung für den öffentlichen Sektor, der sowohl die Attraktivität der Nahverkehrsberufe steigert als auch eine Entlastung für die Angestellten darstellt und zugleich den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) stärkt.
Auf der anderen Seite bewertet der KAV den Kompromiss als kostenintensiv und herausfordernd. Die Finanzierung des Nahverkehrs sei bereits in vielen Kommunen ein Problem und die Einigung markiere die Belastungsgrenze. Der Arbeitgeberverband sieht jedoch auch den demografischen Hintergrund und erhofft sich durch bessere Arbeitsbedingungen einen Attraktivitätszuwachs für die Branche.
Die Verhandlungen zwischen Verdi und KAV begannen Ende Januar und zogen sich in die Länge, wobei sich die Fronten verhärteten. Nach einem Abbruch und der gescheiterten vierten Runde initiierte Verdi eine Urabstimmung, bei der sich eine überwältigende Mehrheit für unbefristete Streiks aussprach. Die Unnachgiebigkeit führte zu Beeinträchtigungen für die Öffentlichkeit, insbesondere für Pendler und Schüler, die ihre Fahrtroutinen unter den fünf zeitgleichen Streiktagen im Nahverkehr umstellten mussten. (eulerpool-AFX)