SPD entscheidet K-Frage im Herbst - Gabriel dementiert
Berlin (dpa) - SPD-Chef Sigmar Gabriel wehrt sich gegen Berichte, wonach die Parteispitze ihre Entscheidung über die Kanzlerkandidatur deutlich früher treffen wird. Der Zeitpunkt werde nicht von den Medien entschieden, «sondern das werden wir machen», sagte Gabriel im «Bericht aus Berlin» der ARD.
Es bleibe beim alten Zeitplan Ende 2012/Anfang 2013. Auch gebe es noch keine Vor-Festlegung auf einen Kandidaten. Nach Informationen des «Spiegels» soll die Entscheidung dagegen spätestens am 24. November beim Parteikonvent in Berlin fallen. Die bisherige «Troika» aus Parteichef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück solle noch im Herbst in ihrer jetzigen Form aufgelöst werden. Gabriel habe sich gegen eine Kandidatur entschieden. Steinbrück selbst riet im «Spiegel»: «Wir müssen uns jetzt Gedanken machen, wann wir den Kandidaten präsentieren.»
Er dementierte Berichte, wonach bereits entschieden ist, dass er als Kandidat in den Wahlkampf 2013 ziehen soll. «Nichts ist entschieden, das sind alles ungelegte Eier», sagte der frühere Bundesfinanzminister der «Süddeutschen Zeitung» (Samstag).
Angesichts immer neuer Berichte über einen angeblichen Vorentscheid rief Gabriel seine Genossen laut «Bild»-Zeitung zur Ordnung. Gabriel habe «einigen im Parteivorstand ordentlich den Kopf gewaschen», schreibt das Blatt (Samstag) unter Berufung auf nicht genannte Quellen in der SPD-Zentrale. Dennoch wird in der SPD der Ruf nach einer baldigen Nominierung ihres Kanzlerkandidaten lauter. «Innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion wird der Wunsch größer, die Kandidatenfrage noch in diesem Jahr zu klären. Das weiß auch der Parteivorsitzende», sagte der bayerische Abgeordnete Martin Burkert der Tageszeitung «Die Welt».
Steinbrück muss sich seit dem Wochenende Amtsmissbrauchs-Vorwürfen erwehren: Wie der «Focus» berichtete, bat der damalige Bundesfinanzminister Mitte des vergangenen Jahrzehnts Post und Telekom um Sponsorengelder für ein Schachturnier in seinem Wohnort Bonn. Der Bund ist größter Einzelaktionär von Post und Telekom. Aus Sicht von Aktienrechtlern hätte Steinbrück nicht um Spenden werben dürfen. FDP und CDU verlangten am Sonntag weitere Aufklärung.
In der «Süddeutschen Zeitung» (Montag) räumte Steinbrück ein, nach Geldgebern für eine Partie des damaligen Weltmeisters Wladimir Kramnik gegen den Schachcomputer «Deep Fritz» gesucht zu haben. Es habe sich aber um ein öffentliches Turnier in Bonn gehandelt. «Dafür suchte ich nach Sponsoren im Interesse der großen Schachgemeinde, woran ich nichts Ehrenrühriges finden kann», betonte der SPD-Politiker. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verlangte weitere Erläuterungen Steinbrücks.
Gabriel sagte auf den Fall angesprochen, er könne nicht erkennen, dass Steinbrücks Fall mit dem des früheren Bundeswirtschaftsministers Jürgen Möllemann (FDP) vergleichbar sei. Möllemann war 1993 wegen einer privaten Werbe-Affäre als Minister zurückgetreten.
Der SPD-Chef bestätigte im «Bericht aus Berlin» außerdem eine Änderung seiner Position in der parteiinternen Rentendebatte: Wer 45 Versicherungsjahre vorweisen könne, solle künftig abschlagsfrei in Rente gehen können - auch vor Erreichen des 65. Lebensjahres. «Es geht darum, die gerecht zu behandeln, die ganz lange schon arbeiten», erklärte Gabriel. Zuvor hatte die «Süddeutsche Zeitung» berichtet, Gabriel wolle bei 45 Versicherungsjahren eine abschlagsfreie Rente ab dem 65. Geburtstag erlauben.
Derzeit wird die einst von der großen Koalition beschlossene Rente mit 67 bis 2029 schrittweise eingeführt, Gabriel wollte bislang daran festhalten. Arbeitnehmer bekommen danach nur dann mit 65 Jahren ihre volle Rente, wenn sie 45 Jahre Beiträge gezahlt haben. Im Unterschied zu Beitragsjahren gelten als Versicherungszeiten, die Gabriel nun stärker als Kriterium heranziehen will, auch Perioden der Arbeitslosigkeit sowie Kindererziehungsjahre. An der Absenkung des gesetzlichen Rentenniveaus von derzeit etwa 50 auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns will Gabriel nichts ändern.
Nach SPD-Angaben würde der neue Vorschlag bis zu 200 000 Beschäftigten insbesondere der Industrie und des Handwerks in den nächsten Jahren erlauben, früher ohne Abschläge in den Ruhestand zu gehen.