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Sparen statt konsumieren – wie Deutschlands Vorsicht die EZB ausbremst

13. November 2025, 16:00 Uhr · Quelle: InvestmentWeek
Sparen statt konsumieren – wie Deutschlands Vorsicht die EZB ausbremst
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Trotz acht Zinssenkungen seit 2024 bleibt die Sparquote im Euroraum mit 15,45 Prozent auf hohem Niveau. Besonders Deutschland mit über 19 Prozent bremst damit den erhofften Konsumaufschwung und gefährdet das Wachstum.
Die EZB senkt Zinsen, doch die Sparneigung in Deutschland bleibt hoch. Das droht das europäische Wachstum zu bremsen.

Der Konsum bleibt aus – trotz aller Anreize

Die Europäische Zentralbank hat geliefert: Acht Zinssenkungen seit Mitte 2024, ein Einlagenzins von nur noch zwei Prozent, stabile Preise – und dennoch rührt sich auf Europas Einkaufsstraßen wenig. Die Bürger geben nicht mehr aus, sie legen beiseite. Laut Eurostat lag die Sparquote im zweiten Quartal bei 15,45 Prozent – so hoch wie seit den Pandemiezeiten 2021 nicht mehr.

„Die Menschen bleiben vorsichtig“, sagt DZ-Bank-Ökonom Michael Stappel. „Der Corona-Nachholkonsum ist den Krisen und der Inflation zum Opfer gefallen.“ Tatsächlich ist die Liste der Belastungen lang: Pandemie, Energiekrise, Ukraine-Krieg, Nahost-Konflikt, Handelsstreit mit den USA – jede neue Unsicherheit schürt die alte Angst. Das Ergebnis: Sparen wird zur Gewohnheit.

Deutsche Sparweltmeister – und Konjunkturbremse

Besonders ausgeprägt ist die Zurückhaltung in Deutschland. Hier liegt die Sparquote mit über 19 Prozent deutlich über dem europäischen Durchschnitt. Zum Vergleich: In Italien und Spanien sparen die Haushalte derzeit nur rund zwölf Prozent ihres Einkommens.

Das hat Folgen. Denn der private Konsum macht in Deutschland mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung aus. Bleibt das Geld auf dem Konto, bleibt auch das Wachstum auf der Strecke. Laut einer Berechnung des Ifo-Instituts würde ein Anstieg der deutschen Sparquote um nur einen Prozentpunkt das Bruttoinlandsprodukt 2026 um 0,3 Prozentpunkte verringern.

Der Mechanismus ist simpel: Wenn weniger gekauft wird, verdienen die Unternehmen weniger – und wer weniger verdient, konsumiert wiederum weniger. So entsteht ein Kreislauf aus Vorsicht und Verzicht, der sich nur schwer durchbrechen lässt.

Die EZB verliert ihre Macht über die Psyche

Für EZB-Chefin Christine Lagarde ist die Situation frustrierend. Ihre Zinspolitik sollte den Konsum ankurbeln und Investitionen fördern. Doch das klassische geldpolitische Instrument greift nicht mehr. „Die europäischen Haushalte sparen weiterhin einen ungewöhnlich hohen Anteil ihres Einkommens“, sagte Lagarde nach dem jüngsten Zinsentscheid.

Der Grund liegt weniger in der Ökonomie als in der Psychologie. Nach Jahren der Unsicherheit misstrauen viele Bürger den Konjunkturprognosen. Wer mehrfach erlebt hat, wie Inflation Ersparnisse auffrisst, Energiepreise explodieren und Börsen abstürzen, spart – selbst bei niedrigen Zinsen.

Hinzu kommt ein struktureller Faktor: die Demografie. Mit der Babyboomer-Generation tritt die größte Alterskohorte Deutschlands in den Ruhestand ein. „Das ist im Lebenszyklus das Alter mit der höchsten Sparquote“, erklärt Nicola Fuchs-Schündeln, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung. „Hohe Einkommen, keine Kinder mehr im Haushalt, und die Rente vor Augen – das begünstigt das Sparen.“

USA konsumieren – Europa zögert

Ein Blick über den Atlantik zeigt, dass es auch anders geht. In den USA ist die Sparquote unter die Marke von zehn Prozent gefallen – trotz höherer Inflation und schwächerem Arbeitsmarkt. Die Amerikaner konsumieren weiter, was die Konjunktur stützt und das Wachstum treibt.

Europa dagegen steckt in einer paradoxen Situation: Trotz steigender Reallöhne, sinkender Inflation und niedriger Zinsen bleibt die Nachfrage schwach. In Ländern wie Deutschland, Österreich und den Niederlanden dominiert die Vorsicht, während Südeuropa etwas dynamischer konsumiert.

Teure Güter bleiben Ladenhüter

Die Zurückhaltung zeigt sich vor allem bei langlebigen Konsumgütern. Autos, Möbel, Elektrogeräte – Anschaffungen werden aufgeschoben, Kredite seltener aufgenommen. Eine Analyse von Goldman Sachs spricht von „erheblichen Auswirkungen auf den Konjunkturzyklus“.

Auch bei Lebensmitteln hält die Preiswahrnehmung viele vom Kaufen ab. Zwar sinkt die Inflation, doch die Teuerung bei Nahrungsmitteln liegt weiterhin über dem Durchschnitt. Besonders einkommensschwache Haushalte spüren das. Ihre Sparquote mag sinken, ihre Kaufkraft tut es ebenfalls.

Angst frisst Aufschwung

Die eigentliche Herausforderung für Politik und Notenbank liegt darin, Vertrauen zurückzugewinnen. „Die Menschen haben in kurzer Zeit zu viele Krisen erlebt“, sagt Fuchs-Schündeln. „Da ist es rational, sich abzusichern.“

Das Problem: Die kollektive Vorsicht untergräbt die erhoffte Wirkung der Zinspolitik. Während die EZB mit geldpolitischen Impulsen arbeitet, reagieren die Bürger mit psychologischer Selbstverteidigung. Der gewünschte Konsumimpuls verpufft – und die Wirtschaft bleibt in der Warteschleife.

Reformen statt Rezepte

Für Ökonomen wie Michael Stappel von der DZ Bank ist klar: Die Politik muss handeln, nicht die Zentralbank. „Wir brauchen überzeugende Reformen, Bürokratieabbau und klare Konzepte für mehr Wachstum“, sagt er. „Solange die Menschen Angst vor Arbeitsplatzverlust oder steigenden Belastungen haben, bleibt der Konsum verhalten.“

Tatsächlich könnte nachhaltiges Wirtschaftswachstum der entscheidende Hebel sein, um die Konsumneigung wieder zu stärken. Doch dafür müsste die Politik Vertrauen schaffen – und den Bürgern das Gefühl geben, dass Stabilität nicht nur ein Wort aus Frankfurt ist.

Ein gefährlicher Trend

Sollte die Sparquote in Deutschland weiter hoch bleiben, drohen ernste Folgen. Laut Ifo würde schon ein moderater Anstieg den privaten Konsum stagnieren lassen und das Wachstum um Milliarden verringern. Mit Blick auf den ohnehin schwachen Standort Deutschland wäre das fatal.

Die EZB kann Zinsen senken – aber sie kann keine Ängste löschen. Solange die Menschen lieber sparen als investieren, bleibt Europa ökonomisch im Leerlauf.

Finanzen / Wirtschaft / EZB / Sparquote / Konsum
[InvestmentWeek] · 13.11.2025 · 16:00 Uhr
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