Report: «Europa war gut zu Irland»
Dass Irland das EU-Reformwerk bei einem ersten Referendum 2008 abgelehnt hatte, lässt sie immer noch ratlos den Kopf schütteln. «Ohne Europa steht die irische Wirtschaft schlecht da», wiederholt sie eines der Hauptargumente des Ja-Lagers.
Ob Bassett dieses Mal auf der Seite der Sieger steht, werden sie und die drei Millionen anderen Wahlberechtigten erst am späten Samstagnachmittag wissen, wenn die Stimmen ausgezählt sind. Zwar hatten Umfragen zuletzt einen Vorsprung der Vertragsbefürworter gesehen. Allerdings hoffen die Lissabon-Gegner, die Unentschlossenen noch auf den letzten Drücker auf ihre Seite ziehen zu können. Und so gingen beide Seiten noch am Wahltag auf Stimmenfang.
Fast Schulter an Schulter stehen die Wahlkämpfer vor dem prächtigen Postgebäude in der O'Connell Street, in dem Rebellen beim Osteraufstand 1916 vergeblich Irlands Unabhängigkeit von Großbritannien ausgerufen hatten. Nun geht es wieder um Irland, und William Quill verteilt Flugblätter, auf denen «Wähle Ja - Irland für Europa» steht. «Es sind noch viele Unentschiedene, die sich bei mir informieren», sagt Quill. Und er ist überzeugt, dass er manchen Wähler auf dem Weg zur Urne noch davon überzeugen konnte, wie wichtig der Vertrag für Irland ist.
Wenige Meter weiter kniet Johannes Heckmann aus Stuttgart auf dem Boden und malt mit Kreide den Schriftzug «Wählt Nein - Rettet Eure Republik» auf den Bürgersteig. Der 29-Jährige zählt sich zur deutschen Friedensbewegung und ist extra nach Dublin gekommen, um die Nein-Seite zu unterstützen. «Der Vertrag eröffnet die Möglichkeit, Kriege zu führen, wenn Gefahr im Verzug ist», sagt der Deutsche. Trotz der Umfragen hat er die Hoffnung auf ein neuerliches Nein der Iren noch nicht aufgegeben: «Es wird knapp, es geht jetzt um jede Stimme.»
Wenn es nach Heckmann geht, müsste jeder so wütend sein, wie Elaine Ryan. «Ein Nein ist ein Nein», sagt sie, als sie das Wahllokal verlässt. Schon im vergangenen Juni habe sie den Vertrag wie die Mehrheit der Iren abgelehnt. Jetzt fühlt sie sich von der eigenen Regierung gegängelt, trotz der demokratischen Entscheidung nochmals zu den Urnen gerufen zu werden. Überhaupt hält sie nicht viel vom europäischen Gedanken. «Ich bin Irin», sagt sie stolz. Auch ein andere Wähler, der seinen Namen nicht nennen wollte, ist verärgert über die neuerliche Abstimmung. «Ich bin total dagegen, und es ist eine Frechheit, uns nochmals abstimmen zu lassen.»
Viele andere Wähler dachten an die desaströse Wirtschaftslage, als sie ihr Kreuzchen machten: «Allein können wir nicht bestehen», meint eine Frau, die ihre Mittagspause dazu nutzt, um mit Ja zu stimmen. Beim letzten Volksentscheid sei sie noch zu Hause geblieben, weil sie sich nicht gut genug informiert fühlte. «Das war jetzt besser.»
Das sieht Joseph Cunningham ganz anders: «Das war doch alles Rhetorik. Und immer ging es um Arbeitsplätze», kritisiert er den Wahlkampf. «Ich musste mich im Internet darüber informieren, worum es wirklich ging.» Aber auch er hat dem Vertrag seine Stimme gegeben. «Das ist der Weg zur wirtschaftlichen Erholung.»