Renzis Niederlage löst europaweit Bedauern aus

Rom/Wien/Berlin/Brüssel (dpa) - Die Niederlage des italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi bei einem Volksentscheid hat die Europäische Union noch weiter in die Krise gezogen. Renzi kündigte für den Nachmittag seinen Rücktritt an. Die Nachfolge ist völlig unklar.

Damit verliert Kanzlerin Angela Merkel nach der Brexit- Entscheidung der Briten einen wichtigen Verbündeten in Europa. Die Wahl des überzeugten Europäers Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten in Österreich sorgte dagegen für Erleichterung.

Renzis Scheitern bei seinem zentralen Projekt einer Verfassungsreform fiel mehr als deutlich aus. 59,11 Prozent der Wähler stimmten am Sonntag gegen die Reform, die unter anderem eine Verkleinerung und Entmachtung des Senats vorsah. Als Sieger der Abstimmung feierte sich vor allem die Protestbewegung «Fünf Sterne», die Neuwahlen und den Austritt Italiens aus der Eurozone fordert. Die Furcht vor panischen Reaktionen der Finanzmärkte bestätigte sich zunächst aber nicht.

In Berlin wurde Renzis Rücktritts-Ankündigung mit großem Bedauern aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe mit dem Premier in Rom «sehr gut und vertrauensvoll zusammengearbeitet» und seinen Reformkurs unterstützt, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Zugleich habe die Bundesregierung großen Respekt vor der demokratischen Entscheidung in Italien.

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) meinte: «Das ist bitter für Matteo Renzi und bitter für Italien. Ich hoffe, dass der eingeschlagene Weg der Modernisierung fortgesetzt wird. Denn vom Stillstand profitieren nur die Populisten.» Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, Renzi habe «das Richtige und Notwendige getan, aber er ist dafür von den Wählern nicht belohnt worden».

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bemühte sich um Beruhigung: «Es gibt keinen Grund, von einer Euro-Krise zu reden», sagte Schäuble bei einem Treffen der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel. Die Reaktionen an den Märkten seien entspannt. In Rom müsse es jedoch dringend eine handlungsfähige Regierung geben, meinte Schäuble weiter: «Italien muss wirtschaftlich, politisch, den Weg, den Ministerpräsident Renzi in den letzten drei Jahren gegangen ist, mit großer Konsequenz fortsetzen.»

Auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem fürchtet keine direkten wirtschaftlichen Auswirkungen. «Das ist ein demokratischer Prozess und ändert weder die wirtschaftliche Situation noch die Lage in den Banken», sagte er bei dem Treffen der Finanzminister.

Der Sozialdemokrat Renzi traf mit Staatspräsident Sergio Mattarella zusammen, um seinen Rücktritt einzureichen. Als wahrscheinlich galt, dass der Präsident eine Übergangsregierung einsetzt. Im Gespräch für Renzis Nachfolge sind etwa der amtierende Finanzminister Pier Carlo Padoan, der eine geplante Reise zu den Beratungen der Euro-Finanzminister in Brüssel kurzfristig absagte, und der Präsident des italienischen Senats, Pietro Grasso.

Renzi (41), der im Februar 2014 als jüngster Regierungschef in der Geschichte des Landes angetreten war, hatte sein politisches Schicksal mit dem Volksentscheid vom Sonntag verknüpft. Italienische Medien sprachen am Tag danach von einem Votum gegen den Regierungschef, von «Anti-Renzismus».

Mit Erleichterung reagierten EU-Verfechter in Brüssel und Berlin dagegen auf das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl in Österreich. Dort hatte der frühere Grünen-Chef Van der Bellen klar gegen den FPÖ-Bewerber Norbert Hofer gewonnen. Die national gesinnten Rechtspopulisten erlitten eine überraschend deutliche Niederlage.

Hofer gestand bereits am frühen Sonntagabend seine Niederlage auf Facebook ein: «Ich bin unendlich traurig, dass es nicht geklappt hat. Ich hätte gerne auf unser Österreich aufgepasst.» Zugleich kündigte er eine neue Kandidatur für 2022 an.

Laut Hochrechnung kommt Van der Bellen auf 53,3 Prozent der Stimmen, der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer auf 46,7 Prozent. Mit dem Ende der Auszählung wurde am Abend gerechnet. Dann wird auch das offizielle Endergebnis verkündet. Beim vorläufigen Endergebnis der Stimmen, die an den Wahlurnen abgegeben wurden, erreichte Van der Bellen 51,7 Prozent. Hofer erhielt 48,3 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 74 Prozent noch mal etwas höher als im ersten Durchgang der Stichwahl im Mai (72,8 Prozent).

Im Gegensatz zu Hofer ist Van der Bellen ein großer Anhänger der EU und will deren Kompetenzen sogar ausgeweitet sehen. Der Wirtschaftsprofessor hatte bereits die später annullierte Stichwahl am 22. Mai knapp gewonnen. Er soll am 26. Januar 2017 vereidigt werden - für eine Amtszeit von sechs Jahren.

Wahlen / EU / Verfassung / Referendum / Bundespräsident / Österreich / Italien
05.12.2016 · 13:33 Uhr
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