Nach dem Transport: Streit um Kosten von 25 Millionen

Gorleben/Berlin (dpa) - Nach der Ankunft des zwölften Castor-Atommülltransports in Gorleben hat am Dienstag der Streit um die Kosten und die politischen Folgen der Protestaktionen begonnen. Das Land Niedersachsen will nicht allein auf den Einsatz-Ausgaben in Höhe von 25 Millionen Euro sitzenbleiben.

Atomkraftgegner, Opposition und auch die Evangelische Kirche wollen die Diskussion um die Akzeptanz der Atompolitik der Bundesregierung vorantreiben.

Mit mehr als eintägiger Verspätung war der Castor-Transport am Dienstag im Zwischenlager Gorleben eingetroffen. Als sich kurz vor 10.00 Uhr das Tor hinter dem letzten Schwertransporter schloss, hatte der Atommüll seit seiner Abreise von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague 92 Stunden Fahrt hinter sich. 25 Millionen Euro werden für die Sicherung des Transportes gezahlt werden müssen.

«Wir sind nicht mehr bereit, diese Sonderlast zu tragen», sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bei einer Bilanz des Einsatzes. Die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg forderte, die Abfallverursacher dafür zur Kasse zu bitten.

Die Gegner eines Atomendlagers in Gorleben sehen sich nach dem Rekordprotest im Aufwind. «Der Castor-Zug ist in Gorleben eingetroffen, aber die Bundesregierung ist weiter denn je von ihrem Ziel entfernt, Akzeptanz für Atomkraft in Deutschland zu schaffen,» sagte Robin Wood-Vorstand Florian Kubitz. «Die Proteste haben gezeigt, dass die Haltung schmilzt, dass wir nichts bewegen können», sagte Jochen Stay von der Kampagne «ausgestrahlt» in Trebel.

Eine gute Stunde hatte der Konvoi der Schwerlaster gebraucht, um die Strecke zwischen dem Verladebahnhof Dannenberg zum Zwischenlager zu überwinden. Tausende Polizisten sicherten die Strecke. Zuvor hatten die Beamten in der Nacht eine Sitzblockade von mehreren tausend Demonstranten aufgelöst, deren Teilnehmer dort bis zu 44 Stunden ausgeharrt hatten. Vor dem Verladebahnhof Dannenberg verzögerten am Montagabend zwei Greenpeace-Mitglieder die Abfahrt der Tieflader mehr als zwölf Stunden lang. Sie hatten sich in einem als Bierlaster getarnten Lkw an einen Betonblock fixiert. Die Polizei bekam sie erst am frühen Morgen los.

Sowohl Demonstranten als auch Polizisten waren zum Schluss mit ihren Kräften am Ende. Die Beamten waren nach Angaben der Einsatzleitung bis zu 30 Stunden im Einsatz. «Die Polizisten sind bis an die Grenzen ihrer Belastung gekommen», sagte Schünemann. Atomkraftgegner warfen der Polizei vor, angesichts ihrer Überforderung zum Teil härter zugegriffen zu haben als es angemessen gewesen wäre.

Nach Einschätzung der Polizei ist ihre Sicherheitsstrategie aufgegangen. Erhebliche Schäden am Gleisbett hätten verhindert werden können. Insgesamt wurden 1316 Demonstranten vorübergehend in Gewahrsam genommen. Gegen 172 Protestierer wurden Strafverfahren eingeleitet, 117 Traktoren wurden beschlagnahmt.

Nach Angaben der Atomkraftgegner gab es auf Seiten der Demonstranten mindestens 950 Verletzte. Vor allem wurde über Augenprobleme durch Pfefferspray geklagt. Bei der Polizei wurden 131 Verletzte gezählt, sie erlitten unter anderem Platzwunden durch Steinwürfe und Flaschen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) stellte am Dienstag klar, dass alternative Standorte für ein Endlager erst erkundet würden, wenn Gorleben sich als ungeeignet erweise. «Man kann nicht zwei- oder dreimal Gorleben in Deutschland stemmen», sagte er dem Nachrichtensender n-tv.

Der Grünen-Fraktionschef im Bundestag, Jürgen Trittin, forderte eine transparente und ergebnisoffene Suche nach einem Endlager. Der Bundesregierung warf er im Bayerischen Rundfunk vor, sie habe mit dem Einsatz in Gorleben tausende Polizisten zur Durchsetzung ihrer Politik benutzt.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich hält schwarz-grüne Bündnisse vor allem wegen des Atom-Kurses der Grünen derzeit nicht mehr für denkbar. «Ich sehe, dass die vermeintliche Schnittmenge, die Gemeinsamkeit zwischen den Grünen und der Union, enorm geschrumpft ist», sagte Friedrich am Dienstag in Berlin.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ging auf Distanz zur Atompolitik der Regierung. Der frisch gewählte EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte in Hannover: «Man kann als demokratischer Staat nicht Politik gegen die Bevölkerung machen.» Er halte es für falsch, die Laufzeiten der Atomkraftwerke angesichts der ungelösten Endlagerfrage zu verlängern.

Trotz der Rekordproteste gegen den Castor sollen die Transporte nach Gorleben bis 2017 fortgesetzt werden. Schon im kommenden Jahr wird der nächste Konvoi rollen, kündigte Niedersachsen Innenminister Schünemann an.

EKD-Synode

Informationen zu Gorleben

Informationen zur Endlagerung

Atom / Transporte / Gorleben
09.11.2010 · 22:24 Uhr
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