Staatsschutzverfahren

Mit dem Jagdmesser gegen «Ungläubige» - Prozess nach Angriff

13. Februar 2025, 14:29 Uhr · Quelle: dpa
Auftakt Staatsschutzverfahren wegen Messerangriff in Mannheim
Foto: Marijan Murat/dpa
Der Angeklagte Sulaiman A. sitzt beim Prozessauftakt im Gerichtssaal.
Die Tat sorgte für Entsetzen: Ein Afghane sticht auf Teilnehmer einer islamkritischen Kundgebung ein und verletzt einen Polizisten tödlich. Beim Prozessauftakt zeigt der Angeklagte keine Regung.

Stuttgart/Mannheim (dpa) - Schmächtig und dünn wirkt er, der Mann mit der Nickelbrille, dem roten Sweatshirt und der blauen Stoffhose: Der 26-jährige Sulaiman A. sitzt beim Prozess nach der tödlichen Messerattacke auf dem Mannheimer Marktplatz auf der Anklagebank. Sein Gesicht versteckt der Afghane hinter einem roten Aktendeckel. Die Verlesung der fünf Seiten langen Anklage verfolgt er ohne äußerliche Regung. Manchmal streicht er sich über seinen markanten Bart. 

Der Angriff am 31. Mai 2024 dauerte nur wenige Sekunden, verwackelte Videos von diversen Handy-Kameras zeigen im Internet bis heute die dramatischen Szenen auf dem Mannheimer Marktplatz. Das Trauma der Beteiligten lassen sie trotzdem nur erahnen: Sulaiman A. attackierte mit einem 18 Zentimeter Jagdmesser Teilnehmer der Kundgebung der islamkritischen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE), verletzte sechs Menschen - der 29-jährige Polizist Rouven Laur starb zwei Tage später. 

Anklage wegen Mordes und versuchten Mordes

Mehr als acht Monate nach der tödlichen Messerattacke hat nun der Prozess begonnen: Der Generalbundesanwalt hat vor dem Oberlandesgericht Stuttgart Anklage gegen Sulaiman A. unter anderem wegen Mordes und versuchten Mordes erhoben. Er geht davon aus, dass der Angeklagte Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hegt. Er habe sich dazu entschlossen, einen Anschlag auf vermeintlich Ungläubige zu begehen und sich dazu am 31. Mai 2024 auf den Mannheimer Marktplatz begeben. 

Der Angeklagte hatte zuletzt mit Frau und Kindern im hessischen Heppenheim gelebt - rund 35 Kilometer nordöstlich von Mannheim. Er habe ab der Machtergreifung der Taliban 2021 begonnen, sich für deren Ideologie zu interessieren, sagte Oberstaatsanwältin Verena Bauer.

«Religiöse Pflicht, vermeintlich Ungläubige zu töten»

Sulaiman A. habe sich dann intensiv mit dem Islam auseinandergesetzt und radikale Gelehrte in sozialen Medien verfolgt, schließlich Sympathien für den IS entwickelt. Letztlich sei er zur Überzeugung gelangt, dass es nicht nur legitim sei, sondern seine religiöse Pflicht sei, vermeintlich Ungläubige zu töten. 

Der 26-Jährige wurde am Morgen in Handschellen in den streng gesicherten Saal 1 des Oberlandesgerichts in Stuttgart-Stammheim geführt. Auch Angehörige des getöteten Polizisten, darunter die Mutter, waren als Nebenkläger anwesend.

Angeklagter will Angaben zur Person machen

Die Verteidiger kündigten an, dass ihr Mandant Angaben zur Person machen werde. Angaben zur Sache, also zur Tat und den Vorwürfen, will der Afghane demnach zunächst nicht machen.

Zum Auftakt bestätigte der Angeklagte dem Richter biografische Daten wie seinen Namen, seinen Geburtsort und dass er verheiratet ist. Zur Frage, ob er vor der Tat einem Beruf nachgegangen sei, sagte er: «Ich war nur in der Schule.»

Ein «junger, netter Mann»

Ein Verteidiger beschrieb seinen Mandaten in einer Sitzungspause als nett. «Er macht einen überaus positiven Eindruck, muss man sagen», sagte er. Er sei ein «junger, netter Mann», der der deutschen Sprache nahezu perfekt mächtig sei. Zur Verteidigungsstrategie sagte er: «Es ist unser Ziel, ihn als Menschen darzustellen.» Es habe sicher Vorverurteilung gegeben.

Der Angeklagte erfahre weiterhin viel Unterstützung durch seine Familie. «Die Ehefrau steht zu ihm», sagte der Verteidiger. Sie werde möglicherweise auch im Verfahren aussagen.

Mehr als 50 Prozesstage bis Ende Oktober angesetzt

Für das Verfahren sind zunächst mehr als 50 Prozesstage bis Ende Oktober angesetzt. Als Nebenkläger treten in dem Verfahren auch mehrere Verletzte auf, darunter das BPE-Vorstandsmitglied Michael Stürzenberger.

Der Angreifer war nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur 2013 als Teenager nach Deutschland gekommen und hatte einen Asylantrag gestellt. Der Antrag wurde 2014 abgelehnt. Es wurde allerdings ein Abschiebeverbot verhängt, vermutlich wegen des jugendlichen Alters. Er war der Polizei vor der Tat nicht bekannt.

Tat löste intensive Debatte über striktere Abschiebungen aus

In Mannheim fanden sich wenige Tage nach der Tat laut Polizei 8.000 Menschen für eine Gedenkkundgebung zusammen. Die Tat löste auch eine intensive Debatte über striktere Abschiebungen ausländischer Straftäter aus. Als Konsequenz kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an, die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder zu ermöglichen.

Der Bürgermeister von Neckarbischofsheim und Freund der Familie des getöteten Polizisten Rouven Laur zeigte sich zum Prozessauftakt enttäuscht von der Politik. Nach dem Messerangriff seien viele Versprechungen gemacht worden, sagte Thomas Seidelmann (parteilos). «Wenn Sie hier mit Polizisten sprechen oder überhaupt in ganz Deutschland mit Polizisten sprechen, dann merken Sie, es ist sehr, sehr viel angekündigt worden, sehr wenig passiert.»

Schwere psychische Folgen für Beteiligte

Auch bei der Bürgerbewegung Pax Europa hat die Bluttat ihre Spuren hinterlassen. «Den damals Verletzten geht es bis auf einen, der reanimiert werden musste, den Umständen entsprechend gut», sagte Schatzmeisterin Stefanie Kizina. «Der am schwersten Geschädigte ist wegen durchtrennten Muskeln und Nerven bis heute in täglichen Reha-Maßnahmen und hat immer noch Schmerzen. Die psychischen Folgen sind für alle, die in diesem Alptraum waren, erheblich.» 

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordert mit dem Verfahren und einem späteren Urteil ein starkes Signal an die Gesellschaft und die Politik. «Wir erwarten im Übrigen für den Täter nichts anderes als eine lebenslange Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld», sagte der Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. «Zudem erwarten wir die Prüfung der Abschiebung aus der Haft.»

Die Mutter von Rouven Laur, Petra, wollte sich nach dem Prozessauftakt zum Verfahren äußern, wurde aber von ihren Gefühlen übermannt und brach ihre Stellungnahme ab. Seidelmann zeigte sich fassungslos nach der Anklageverlesung mit Blick auf das Verhalten von Sulaiman A.: «Diese Teilnahmslosigkeit war erschreckend.»

Prozess (Gericht) / Kriminalität / Extremismus / Baden-Württemberg / Deutschland / Hessen
13.02.2025 · 14:29 Uhr
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