Richterwahl

Gutachten sieht keinen Plagiatsverdacht bei Brosius-Gersdorf

16. Juli 2025, 19:07 Uhr · Quelle: dpa
Frauke Brosius-Gersdorf bei «Markus Lanz»
Foto: Markus Hertrich/ZDF/dpa
Die Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf wehrt sich in der ZDF-Sendung «Markus Lanz» gegen die Vorwürfe, die im Zusammenhang mit ihrer Nominierung als Bundesverfassungsrichterin gegen sie erhoben werden.
Frauke Brosius-Gersdorf wird in einem Kurzgutachten von Plagiatsvorwürfen entlastet. Die Diskussion über ihre Richterwahl bleibt dennoch umstritten.

Berlin (dpa) - Die von Teilen der Union als Verfassungsrichterin abgelehnte Juristin Frauke Brosius-Gersdorf ist in einem Kurzgutachten vom Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens entlastet worden. «Die Prüfung hat ergeben, dass die Vorwürfe unbegründet sind und keine Substanz haben», erklären die Rechtsanwälte Michael Quaas und Peter Sieben von der Anwaltskanzlei Quaas und Partner in einem Begleitschreiben.

Brosius-Gersdorf hatte mit ihrem Mann Hubertus Gersdorf die Prüfung in Auftrag gegeben, nachdem zuletzt auch Plagiatsvorwürfe als Argument gegen ihre Wahl vorgebracht worden waren. Brosius-Gersdorf hatte zuvor in der ZDF-Sendung «Markus Lanz» auch Kritik an ihren inhaltlichen Positionen etwa zu einer Impfpflicht in der Corona-Krise oder zum Schwangerschaftsabbruch zurückgewiesen. Diese seien von einzelnen Medien völlig falsch wiedergegeben worden.

Die Staatsrechtlerin hält vorerst an ihrer Kandidatur fest. Sollte dem Bundesverfassungsgericht durch die anhaltende Debatte um die geplatzte Richterwahl aber Schaden drohen, würde sie sofort verzichten, sagte sie im ZDF. «Das ist ein Schaden, den kann ich gar nicht verantworten.»

Kurzgutachten sieht keinen Raum für Plagiatsvorwurf

Unmittelbar vor der am vergangenen Freitag geplanten und am Ende geplatzten Richterwahl im Bundestag waren auch Plagiatsvorwürfe gegen Brosius-Gersdorf laut geworden. Der österreichische Plagiatssucher Stefan Weber veröffentlichte Parallelen zwischen ihrer Doktorarbeit und der Habilitationsschrift ihres Mannes.

Die Dissertationsschrift von Brosius-Gersdorf an der Universität Hamburg wurde 1997 eingereicht, die Habilitationsschrift ihres Mannes Hubertus wurde im laut Kurzgutachten im November 1997 abgeschlossen und im Sommersemester 1998 an der gleichen Uni vorgelegt. Der Titel von Brosius-Gersdorfs Doktorarbeit lautete «Deutsche Bundesbank und Demokratieprinzip. Eine verfassungsrechtliche Studie zur Bundesbankautonomie vor und nach der dritten Stufe der europäischen Währungsunion». Ihr Mann schrieb über «Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip».

Die Kanzlei betrachtete Ähnlichkeiten bei Fußnoten, Überschriften und Textstellen und gelangte zu dem Ergebnis: «Selbst wenn man annimmt, dass sämtliche aufgezeigten Übereinstimmungen sich nicht erklären lassen, begründen diese weder einen Plagiatsvorwurf noch stellen sie die Wissenschaftlichkeit der Arbeiten (...) in Frage.» Das gelte sowohl für Brosius-Gersdorf wie für ihren Mann.

«Die hierzu erforderliche Schwelle wird sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht bei Weitem nicht erreicht», heißt es zur Begründung. Auch sei die Habilitationsschrift ihres Mannes später erstellt worden als die Doktorarbeit von Brosius-Gersdorf selbst.

Die Stuttgarter Kanzlei gibt ausdrücklich eine vorläufige Bewertung ab. «Eine ausführliche rechtliche Bewertung soll ggf. zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen», heißt es in dem Kurzgutachten.

Keine Lösung absehbar

Am Freitag war die Wahl zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagene Juristin Brosius-Gersdorf war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren. Abgeordnete hatten nach dpa-Recherchen vor der geplanten Abstimmung zum Teil viele E-Mails erhalten, in denen vor der Wahl der Staatsrechtlerin gewarnt wurde.

Nun ist völlig offen, wie CDU, CSU und SPD das Dilemma auflösen und doch noch gemeinsam Richter wählen können – denn Unionspolitiker halten an ihrer Kritik genauso fest wie die SPD an ihrer Kandidatin.

Brosius-Gersdorf spricht von Kampagne

Brosius-Gersdorf sagte in der Sendung «Markus Lanz», es gehe nicht mehr nur um sie. «Es geht auch darum, was passiert, wenn sich solche Kampagnen, und es war in Teilen eine Kampagne, durchsetzen, was das mit uns macht, was das mit dem Land macht, mit unserer Demokratie.» Dies müsse sie wägen.

«Ich möchte auch nicht verantwortlich sein für eine Regierungskrise in diesem Land, weil wir nicht wissen, was dann hinterher passiert. Das sind alles Aspekte, die nehme ich unheimlich ernst und die bedenke ich.»

CDU-Abgeordnete sieht nun SPD-Fraktionschef in Verantwortung

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig, die sich vehement gegen eine Wahl von Brosius-Gersdorf ausgesprochen hatte, gab dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Miersch die Verantwortung für die verfahrene Situation. Dieser habe gewusst, dass es in ihrer Fraktion rumore. «Er hätte die Kandidatin zurückziehen müssen und uns allen diese Diskussionen ersparen sollen», sagte sie in einem «Welt»-Interview.

Die Signale seien mehr als deutlich, dass «von uns Abgeordneten diese Dame nicht wählbar ist». Das sei auch in einem großen Teil der Bevölkerung zu spüren. «Da ist Herr Miersch in der Verantwortung zu handeln.»

Die CDU-Abgeordnete Gitta Connemann sagte in der Sendung «Frühstart» von RTL/ntv zum Interview mit Brosius-Gersdorf: «Eine solche Frage wird am Ende weder in Talkshows noch in den Medien entschieden, sondern es ist eine Frage, die im Gespräch zwischen den Koalitionsfraktionen zwischen SPD, CDU und CSU entschieden werden muss.»

Bamberger Erzbischof bietet persönliches Gespräch an

Nach Irritationen um eine Predigt bot der Bamberger Erzbischof Herwig Gössl der Professorin ein persönliches Gespräch an. Er wolle damit Missverständnisse ausräumen, schrieb Gössl in einer Erklärung. Brosius-Gersdorf war im ZDF auf Gössls Predigt vom Wochenende zu sprechen gekommen. Sie finde es besonders verstörend, dass dieser in Bezug auf ihre Person von einem «Abgrund von Intoleranz und Menschenverachtung» gesprochen habe. «Ich finde das infam.»

Bei der Formulierung in der Predigt war es um den Schutz ungeborenen Lebens gegangen. Gössl betonte nun in seinem Schreiben: «Ich habe zu keinem Zeitpunkt die angesehene Juristin Frauke Brosius-Gersdorf persönlich angreifen oder diffamieren wollen. Ihre Kompetenz als Juristin und ihre persönliche Integrität habe ich niemals in Zweifel gezogen.»

Update: In einer früheren Version des Artikels hieß es: «Die Dissertationsschrift von Brosius-Gersdorf und die Habilitationsschrift ihres Mannes Hubertus wurden beide 1997 an der Universität Hamburg eingereicht.» Korrekt muss es heißen: «Die Dissertationsschrift von Brosius-Gersdorf an der Universität Hamburg wurde 1997 eingereicht, die Habilitationsschrift ihres Mannes Hubertus wurde im laut Kurzgutachten im November 1997 abgeschlossen und im Sommersemester 1998 an der gleichen Uni vorgelegt.»
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16.07.2025 · 19:07 Uhr
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