Kampf gegen Super-GAU steht auf der Kippe

Tokio (dpa) - Im Kampf gegen den Super-GAU in Japan setzen die Krisenmanager ihre Hoffnung aufs Wochenende: Nach der Bereitstellung einer Starkstromleitung zum Atomkraftwerk Fukushima wollen sie am Samstag versuchen, die reguläre Kühlung für die Reaktorblöcke 1 und 2 wieder in Gang zu setzen.

Am Sonntag könnten dann die Blöcke 3 und 4 folgen, wie Hidehiko Nishiyama von der Atomsicherheitsbehörde (NISA) am Freitag nach einer Meldung der japanischen Nachrichtenagentur Kyodo mitteilte.

Zuvor aber setzten die Einsatzkräfte am Freitag die Kühlung des besonders kritischen Reaktors 3 mit Wasserwerfern fort. Dieser Block enthält Plutonium, das zu den gefährlichsten radioaktiven Stoffen gehört. Der Einsatz von 30 Spezialfahrzeugen wurde von einem Wasserwerfer unterstützt, den die US-Streitkräfte bereitstellten. Die erneuten Kühlversuche seien erfolgreich gewesen, versicherte Regierungssprecher Yukio Edano. Skeptischer äußerte sich Nishiyama als Sprecher der Atomsicherheitsbehörde: Um den Erfolg zu bewerten, müsse die Situation noch weiter beobachtet werden. Die Strahlung in der Umgebung des AKW stieg am Freitag zumindest nicht weiter an.

Die Betreibergesellschaft Tepco setzte am Freitag 120 Arbeiter in der Anlage ein. Darunter seien auch erfahrene Spezialisten anderer Stromkonzerne, sagte Sprecher Naoki Sunoda der Nachrichtenagentur dpa. Was sich genau in dem havarierten Kraftwerk abspielt, wird nicht bekanntgegeben. Ministerpräsident Naoto Kan kündigte aber an, der internationalen Gemeinschaft mehr Informationen als bisher zur Verfügung zu stellen.

Deutschland bot Japan die Lieferung von Robotern für den Einsatz im Atomkraftwerk Fukushima an. «Die Geräte stehen bereit», sagte am Freitag ein Sprecher des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in Berlin. Jetzt warte das Ministerium auf eine Entscheidung der japanischen Atomsicherheitsbehörde (NISA), welche Roboter konkret benötigt würden. Die Anfrage aus Japan erfolgte über die Internationale Atomenergieorganisation (IAEA) an alle Mitgliedsstaaten. In Deutschland verfügt die Kerntechnische Hilfsdienst GmbH, eine gemeinsame Einrichtung der AKW-Betreiber mit Sitz in Eggenstein-Leopoldshafen bei Karlsruhe, über solche Geräte für den Einsatz bei nuklearen Störfällen.

Die IAEA sprach am Freitag von einer gewissen Stabilisierung in Fukushima. «Es ist weiterhin sehr ernst, aber es ist nicht bedeutend schlimmer geworden», sagte der IAEA-Experte Graham Andrew. Die japanische Atomsicherheitsbehörde NISA stufte den Störfall in den Reaktoren 1 bis 3 auf der siebenteiligen INES-Skala von 4 auf 5 hinauf - und damit auf das gleiche Niveau wie beim Unglück im US-Kraftwerk Three Mile Island am 28. März 1979. Die Stufe 7 gab es bislang nur einmal, bei der Katastrophe im Atomkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine am 26. April 1986.

Tschernobyl wurde nach der Katastrophe unter einem Beton-Sarkophag begraben. Jetzt gibt es auch in Japan Überlegungen, die Atomruine Fukushima mit Sand und Beton einzuhüllen. Dies sei aber gegenwärtig noch keine realistische Option, erklärte die Atomsicherheitsbehörde.

Ministerpräsident Kan versuchte am Freitag, seinen Landsleuten Mut zuzusprechen: «Japan als Land wird die Katastrophe überwinden und sich erholen», sagte er. Die Lage in Fukushima erlaube zwar keinen Optimismus. Sie werde aber «in nicht weiter Ferne» unter Kontrolle gebracht.

Der Wind am Unglücksreaktor soll zu Beginn kommender Woche in Richtung der Millionen-Metropole Tokio drehen. «Wie weit sich die Radioaktivität dann ausbreitet, kann man aber noch nicht sagen», sagte Christina Speicher vom Deutschen Wetterdienst (DWD).

Skeptisch äußerte sich der Atomkraftexperte Michael Sailer vom Öko-Institut in Freiburg. «Man muss sich vergegenwärtigen, dass wir nicht über einen Reaktor reden, sondern über mindestens drei Reaktoren und vier Brennelemente-Becken, also sieben Anlagen, die dringend Kühlung brauchen», sagte der Geschäftsführer des Instituts der Nachrichtenagentur dpa. «Sie müssen alle unter Kontrolle bekommen», betonte Sailer. «Erst wenn alle sieben zur ausreichenden Kühlung kommen, funktioniert es. Mein Glaube daran ist nicht sehr hoch.»

Bei Erdbeben und Tsunami sind mehr Menschen ums Leben gekommen als beim Beben in der japanischen Hafenstadt Kobe im Jahr 1995. Nach neuesten Angaben stieg die Zahl der Toten auf 6539. Es wird allerdings befürchtet, dass noch weit mehr Menschen der Katastrophe zum Opfer fielen. Weiter werden mehr als 9000 Menschen vermisst. Der verheerende Tsunami vom 11. März war an seiner höchsten Stelle bis zu 23 Meter hoch, wie die Zeitung «Yomiuri Shimbun» aus Tokio am Freitag im Internet berichtete. Diese Höhe sei vor der Küste der Stadt Ofunato in der Präfektur Iwate registriert worden.

Die Folgen von Erdbeben und Wasserwalze, die steigende Atom-Gefahr und Eiseskälte setzen nun auch den Überlebenden der Dreifach-Katastrophe immer heftiger zu. NHK zufolge sind mindestens 25 Flüchtlinge schon gestorben. Sie seien meist alt und total entkräftet gewesen - womöglich wären sie ohne den Kälteeinbruch noch am Leben.

Der Höhenflug des japanischen Yen ist unterdessen vorerst gestoppt. Die G7-Finanzminister und Notenbankpräsidenten beschlossen in der Nacht zum Freitag in einer Telefonkonferenz, gemeinsam gegen den starken Anstieg vorzugehen. Es ist das erste Mal seit mehr als zehn Jahren, dass die führenden Industriestaaten gemeinsam am Devisenmarkt eingreifen.

Erdbeben / Atom / Japan
19.03.2011 · 00:35 Uhr
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