Lage im Überblick

Israels Kabinett billigt Gaza-Abkommen mit der Hamas

10. Oktober 2025, 06:29 Uhr · Quelle: dpa
Nahostkonflikt - Gaza
Foto: Belal Abu Amer/APA Images via ZUMA Press Wire/dpa
Nach zwei Jahren Krieg wird im Gazastreifen die Einigung auf eine Waffenruhe gefeiert.
Israels Regierung stimmt dem Abkommen mit der Hamas für ein Ende der Kämpfe in Gaza zu, inklusive Geisel-Austausch. Trotz anhaltender Unsicherheiten könnte dies den Weg zu Verhandlungen über einen dauerhaften Frieden ebnen.

Tel Aviv/Gaza (dpa) - Israels Regierung hat dem mühsam errungenen Abkommen mit der islamistischen Hamas zugestimmt und damit den Weg für ein sofortiges Ende der Kämpfe im Gazastreifen geebnet. Laut dem vom Fernsehsender Kan veröffentlichten Vertragstext sollen die Militäreinsätze nach dem Kabinettsbeschluss unverzüglich eingestellt und Hilfslieferungen in den Gazastreifen ermöglicht werden. Die Abmachung sieht auch vor, dass binnen 72 Stunden alle Geiseln in der Gewalt der Hamas und anderer Terroristen ausgehändigt werden. Im Gazastreifen befinden sich noch 48 Geiseln, von denen nach israelischen Informationen 20 am Leben sind – darunter auch deutsche Staatsbürger. 

Mehrere rechtsextreme Minister in der Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu stimmten Medienberichten zufolge gegen die Vereinbarung mit der Hamas, darunter Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich.

Israel und die Hamas hatten bei den indirekt geführten Verhandlungen im ägyptischen Küstenort Scharm el Scheich eine Einigung über die erste Phase des jüngst von US-Präsident Donald Trump vorgestellten 20-Punkte-Friedensplans erzielt. Neben den Vereinigten Staaten waren auch Katar, Ägypten und die Türkei als Vermittler an den Gesprächen beteiligt. Die Führung der Hamas erklärte den Gaza-Krieg nach dem Verhandlungsdurchbruch für beendet. Allerdings sind mehrere zentrale Streitpunkte weiterhin ungeklärt.

Weißes Haus: US-Truppen sollen Waffenruhe absichern

Fast zeitgleich mit dem Kabinettsbeschluss teilte das Weiße Haus mit, die USA wollten die Einhaltung der Waffenruhe mit eigenen Truppen unterstützen. Die für die Region zuständige Kommandozentrale des US-Militärs (Centcom) werde 200 Soldaten bereitstellen, die allerdings nicht im Gazastreifen eingesetzt würden, erklärten hochrangige US-Regierungsbeamte in einem Telefonat mit Journalisten. 

Es gehe darum, ein gemeinsames Kontrollzentrum zu errichten, an dem auch Streitkräfte aus Ägypten, Katar, der Türkei und wahrscheinlich auch der Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt sein sollen, hieß es weiter. Das Zentrum solle die verschiedenen Sicherheitskräfte zusammenführen und Einsätze mit der israelischen Armee abstimmen. Wo genau die Soldaten stationiert sein sollen, werde noch ermittelt und später bekanntgegeben.

US-Regierungskreise: Wenig Vertrauen auf beiden Seiten

Mit der internationalen Mission soll die Waffenruhe abgesichert werden. Auf beiden Seiten gebe es nicht viel Vertrauen, dass der Plan tatsächlich eingehalten werde, sagten hochrangige US-Regierungsvertreter. Beispielsweise fürchte die Hamas, dass Israel die Militäreinsätze zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen könnte. Es herrsche große Angst davor, was als Nächstes passiere.

Israels Streitkräfte sollen sich zurückziehen

Binnen 24 Stunden nach dem Kabinettsbeschluss sollen sich die israelischen Streitkräfte gemäß Abmachung auf eine vereinbarte Linie zurückziehen, innerhalb von 72 Stunden danach wiederum alle lebenden Verschleppten im Gazastreifen freigelassen und die Leichen toter Geiseln übergeben werden. Die Rückkehr der Geiseln soll ohne öffentliche Zeremonie und ohne anwesende Medienvertreter vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz organisiert werden.

Taskforce soll sterbliche Überreste suchen

«Wir haben in diesen zwei Jahren gekämpft, um unsere Kriegsziele zu erreichen», sagt Israels Ministerpräsident Netanjahu während der Kabinettssitzung an der Seite des US-Sondergesandten Steve Witkoff und des Schwiegersohns des US-Präsidenten, Jared Kushner. «Eines der zentralen Kriegsziele ist die Rückkehr der Geiseln, aller Geiseln, der Lebenden und der Toten. Und wir sind dabei, dieses Ziel zu erreichen.»

Gemäß Abmachung soll die Hamas zudem Informationen über die sterblichen Überreste toter Geiseln teilen, deren Verbleib unklar ist. Eine internationale Taskforce aus Experten aus Israel, den USA, Ägypten, Katar, der Türkei und vom Roten Kreuz solle nach den Leichen suchen, berichtete der Fernsehsender i24. 

Im Gegenzug für die Aushändigung der Verschleppten muss Israel laut dem Abkommen rund 250 wegen schwerer Straftaten zu lebenslanger Haft verurteilte palästinensische Häftlinge und etwa 1.700 weitere Palästinenser freilassen, die nach dem 7. Oktober 2023 inhaftiert wurden. Unklar war zunächst, welche Häftlinge davon betroffen sein werden und ob auch prominente Köpfe darunter sind.

Einigung kurz vor Vergabe des Friedensnobelpreises

Der Durchbruch bei den Verhandlungen über eine Beilegung des Gaza-Kriegs nach zwei Jahren schwerer Kämpfe mit Zehntausenden Toten gelang kurz vor der Bekanntgabe des Friedensnobelpreises am Freitag. Netanjahu und Israels Präsident Izchak Herzog erklärten daraufhin, Trump habe für seine Vermittlertätigkeit den Nobelpreis verdient. Der US-Präsident will am Sonntag zu einer Reise in den Nahen Osten aufbrechen und wahrscheinlich auch Israel besuchen.

Trotz der Einigung auf die erste Phase des Friedensplans sind noch viele Fragen offen, die erhebliches Konfliktpotenzial bergen. Über eine Reihe strittiger Punkte dürfte später verhandelt werden. So hat sich die Hamas bislang nicht dazu bereit erklärt, ihre Waffen abzugeben, so wie es der Friedensplan vorsieht.

Verhandlungen über dauerhaften Frieden stehen noch aus

Die USA hatten betont, dass es zwei Phasen der Verhandlungen gebe. Zum einen die über die Geisel-Freilassung, die absolute Priorität habe. Zum anderen eine zweite Phase, in der der langfristige Frieden gesichert werden solle. Zu dieser Phase zählten die USA auch die Entwaffnung. Zudem ist noch unklar, wie der Gazastreifen künftig regiert wird. Fraglich ist auch, ob der Plan letztlich zu einer Zweistaatenlösung führt - also der friedlichen Koexistenz eines unabhängigen palästinensischen Staats neben dem jüdischen Staat Israel.

Auslöser des Gaza-Kriegs war der Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023. Rund 1.200 Menschen wurden dabei getötet, mehr als 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit einer beispiellosen Militäroffensive. Seitdem wurden laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 67.000 Palästinenser getötet.

Krieg / Konflikte / Israel / Palästinensische Gebiete / USA / Ägypten
10.10.2025 · 06:29 Uhr
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