425 % Kursplus: Entsteht in Shanghai der erste echte NVIDIA-Konkurrent?
Ein Raketenstart, der selbst für Chinas Tech-Börsen ungewöhnlich ist
Beim Debüt an der Börse Shanghai lieferte Moore Threads eine Vorstellung, wie man sie zuletzt nur aus spekulativen Phasen der Tech-Historie kennt. Der Ausgabepreis lag bei 114,28 Yuan, der Erstkurs bei 556 Yuan – am Ende des Tages standen 600,50 Yuan auf der Anzeige. Ein Plus von 425 Prozent nach nur Stunden.
Gleichzeitig sammelte das Unternehmen rund acht Milliarden Yuan ein – der zweitgrößte Börsengang des Jahres auf dem chinesischen Festland.
Der Hype ist gewollt: China sucht systematisch nach Alternativen zu hochmodernen US-Chips, die wegen Exportbeschränkungen kaum noch ins Land gelangen. Moore Threads gilt in diesem Umfeld als Hoffnungsträger – oder besser als Lückenfüller.
Politische Rückendeckung, gewaltiger Heimatmarkt
Die Euphorie hat wenig mit aktuellen Zahlen zu tun. Moore Threads ist jung, wachstumsstark – aber defizitär. Entscheidend für die Fantasie ist die politische Großwetterlage: Die Regierung in Peking will eigene Halbleiter-Champions schaffen, koste es, was es wolle. Wer GPUs für KI-Training und Cloud-Computing entwickelt, bekommt nicht nur Aufmerksamkeit, sondern strukturellen Rückenwind.
Die Gründerfigur trägt zur Glaubwürdigkeit bei: James Zhang, langjähriger NVIDIA-Manager für China, kennt das Geschäft, die Technologie – und vor allem die Schwachstellen der westlichen Konkurrenz. Sein Name wirkt wie ein Qualitätssiegel für Investoren.
Der Haken: Fundamentaldaten und Realität
Die Finanzkennzahlen sind allerdings alles andere als solide. Moore Threads schreibt weiterhin hohe Verluste und investiert aggressiv in Forschung und Entwicklung. Der Umsatz wächst – aber aus einer kleinen Basis. Die Bewertung ist astronomisch und geprägt von geopolitischer Hoffnung, nicht von Profitabilität.
Das Risiko ist offensichtlich: Sollte die technologische Kurve flacher ausfallen als erwartet, könnte der Hype ebenso schnell verpuffen, wie er entstanden ist.
Wie groß wird die Bedrohung für NVIDIA wirklich?
Kurzfristig: kaum existent. NVIDIA bleibt das Maß aller Dinge im Hochleistungssegment. Die spezialisierten Chips der Amerikaner sind technologisch Jahre voraus.
Mittelfristig könnte Moore Threads aber genau dort angreifen, wo US-Firmen durch Exportregime kaum noch präsent sind: im chinesischen Binnenmarkt. Ein Markt, der durch staatliche Vorgaben faktisch reserviert ist und groß genug wäre, um lokale Champions hochzuziehen – ob sie global wettbewerbsfähig sind oder nicht.
Ein realistisches Szenario: NVIDIA verliert Marktanteile in China, behält aber die technologisch anspruchsvollen Anwendungen weltweit fest im Griff. Für NVIDIA wäre das schmerzhaft, aber nicht existenzbedrohend. Für Moore Threads könnte es dagegen die Grundlage eines Milliardenmarktes sein.
Für westliche Anleger bleibt die Tür verschlossen
Die Aktie wird ausschließlich in Shanghai gehandelt. Kein ADR, kein Zugang über US- oder europäische Börsen. Internationale Privatanleger können Moore Threads derzeit faktisch nicht erwerben.


