Im Test: Sunset Overdrive – LSD-Trip mit Koffeintabletten

Habt ihr euch je gewundert, wie es wohl sein müsste nach einer Handvoll LSD und Koffeintabletten einen drauf zu machen? Ich auch nicht, aber ich bin mir sicher, eine Spielsession mit Sunset Overdrive kann unmöglich weit davon entfernt liegen. Der ultimative Exklusiv-Titel für die Microsoftkonsole ist eine aufgedrehte Backpfeife für die Sinne, angefangen bei der überdrehten Inszenierung bis zu der grellen Farbpalette, die jeder Dragqueen die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Ob dieser anarchische Actionkracher aber auch wirklich auf Dauer überzeugen kann, dass haben wir uns erst einmal genauer angesehen.

Dass sich Sunset Overdrive einen feuchten Kehricht über Genrekonventionen schert, das wurde schon bei der ersten Teaser-Präsentation klar und hat sich von diesem Punkt an sukzessive gesteigert. Wenn sich dann auch noch einer der bekanntesten und größten Ex-Sony-Exklusiventwickler, Insomniac Games, verantwortlich zeichnet, dann ist eine vorsichtige Euphorie durchaus angebracht. Vor allem, wenn das Spielkonzeption so gar nicht in irgendeine Schublade passen möchte.

Doch eben das ist das große Risiko – denn Spiele, die sich selber nicht ernst nehmen und mit einen frischen Konzept aufwarten wollen, stolpern nicht selten über die eigenen Ambitionen. Doch Sunset Overdrive schafft es wirklich auf herrlich erfrischende Art und Weise die Stolpersteine mit Stil auszutänzeln und uns daran zu erinnern, das Realismus und Ernst nicht zwingend Teil eines Blockbuster-Spiels sein müssen.

Unsere Reise in Sunset City beginnt mit der Charakter-Erstellung. Sunset Overdrive lässt uns großen Freiraum bei der Gestaltung unseres persönlichen Protagonisten und wartet mit einer fast unerwarteten Tiefe zur Charaktergenerierung auf, die aber vor allem durchgeplante Kreationen fördert und fordert. Von bärtigen Damen mit komischen Hüten über schmächtige Metaller-Männchen bis hin zum persönlichen Muskelpaket in Unterbuxe ist alles möglich und auch passend. Die sich daraufhin entfaltende Geschichte ist ebenfalls fix erklärt – die Menschen in Sunset City haben den unzureichend getesteten Energy-Drink Obercharge der Firma Fizzco zu Gemüte geführt, der leider zu ungünstigen Mutationen führt. Ungünstig im Sinne von Hirntod und Energy-Drink-abhängig, also nicht weit entfernt vom durchschnittlichen Studenten während seiner Bachelorarbeit.

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Koffeinvergiftung!

Als einer der wenigen Menschen, die sich nicht zu einem koffeinhaltigen Erfrischungsgetränk haben hinreißen lassen, liegt es nun an uns einen Weg aus der Stadt zu finden, um der Umwelt von dem „Malheur“ zu berichten. Einziges Problem: Fizzco hält die Stadt unter Verschluss, um den Vorfall zu verschleiern. Anderes Problem: Eigentlich findet unser Charakter dieses mutantenverseuchte Sunset City ziemlich klasse, denn hier können wir unseren extravaganten Charakter mit ordentlich Kawumm ausleben. Dennoch treffen wir bald auf einige andere interessante Charaktere, die uns auf ihre eigene, stereotype Weise durch diese Welt lotsen. Selten haben wir eine derart abgedrehte Story erlebt.

Die Sprache ist vulgär, die Dialoge flach und die Sprüche locker aus der Hüfte geschossen. Die Story und Charakterinteraktion sind, in diesem Fall, erfreulich ernstfrei und im Vergleich mit den „Drama-Aspiranten“, die die Spieleindustrie heutzutage in erschreckender Regelmäßigkeit auf die Ladentheke schmeißt, wirklich erfrischend einfach. Doch auch abseits der Dialoge und Geschichte ist mit Ernst und Realismus nicht viel. Der Mittelpunkt des Gameplays ist die möglichst unrealistische, aber unglaublich flüssige Fortbewegung über die Dächer, Geländer und Autos von Sunset City. Mit wenigen Knopfdrücken reihen wir somit unglaubliche Moves aneinander und haben nie das Gefühl, dass dieses System zu anspruchsvoll oder anspruchslos wäre, ganz im Gegenteil. Nach einigen Testläufen kann es passieren, dass man ganz intuitiv und fast schon obsessiv versucht den Straßenbelag zu meiden und nur noch mit mindestens einem Meter Abstand über den Boden zu gleiten.

Und der ganze Driss nur für die gut Optik? – Weit gefehlt! Die Schergen, denen wir in Sunset Overdrive entgegentreten, sind ziemlich treffsicher und wir sind am Boden entsprechend langsam. Wer also länger über den Boden schleicht, der segnet in der Regel recht schnell das Zeitliche, da ein Deckungssystem in diesem Spiel vergeblich gesucht wird. Nur die Fortbewegung in großer Höhe und mit Richtungswechseln bietet den entsprechenden Schutz vor Sperrfeuern und dergleichen. Und als wäre das konfuse Rumgehopse so nicht schon sinnvoll genug, so können wir mit aneinander gereihten Moves und entsprechenden Killstreaks ein Stylemeter aufladen, dass uns zusätzliche Vorteile bietet. Welche Vorteile? Sucht euch selber welche aus!

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Amplify this!

Im Laufe des Spiels bekommen und craften wir immer wieder sogenannte Amps, die unseren Waffen und Fähigkeiten zusätzliche Modifikationen geben, die dann anhand des Stylemeters bei entsprechenden Serien freigeschaltet werden. So können wir dann, wenn wir auf Autos hopsen, Flammenbälle auslösen, unseren Waffen Schockschaden oder andere Elementarschäden zufügen.

An diesem Punkt hat Sunset Overdrive etwas von einem Tony Hawk’s-Shooter, der uns für Tricks und Kills gleichermaßen belohnt.

Wer angst hat, dass er bei der wilden Fortbewegung unmöglich gerade zielen kann, der sei hiermit beruhigt. Das Zielsystem unterstützt uns bei den Schießereien und ist äußerst großzügig bei der Wertung von treffen. Gleiches gilt bei der Fortbewegung, auch hier wird der Sweet Spot getroffen, wenn es darum geht von Objekt zu Objekt zu springen und zu sliden.

Ebenfalls hilfreich dafür und unglaublich förderlich für den Spielspaß ist das Leveldesign der freien Spielwelt. Selten hatten wir Probleme uns ohne Behinderung von Haus zu Haus bewegen zu können. Die Spielwelt scheint an jeder Ecke perfekt darauf abgerichtet zu sein, uns ein cooles und spaßiges Vorankommen zu ermöglichen, ohne dabei repetitiv zu wirken oder Dinge unnötig zu verkomplizieren. Ganz im Gegenteil, denn die Welt in der wir uns bewegen ist abwechslungsreich und selbst ohne die zahlreichen Collectibles und Sidequests jeden einzelnen Trip wert. Immer wieder wurden wir alleine vom Design der Umwelt dazu verleitet Umwege zu nehmen oder andere Dinge als den vorgegebenen Story-Pfad abzuklappern. Trotz fehlender Tiefe dank grenzenloser Oberflächlichkeit hat uns die Stadt und alles drum und dran gefangen genommen. Und das ist für ein Spiel von diesem Kaliber eine fast unglaubliche Leistung. Die gleiche Abwechslung gibt es bei unseren Gegnern. Gerade zu Beginn des Spiels werden wir gefühlt minütlich von neuen Gegnertypen überrascht, die über verschiedene Fähigkeiten und Schwachstellen verfügen. Gut, dass auch unser Arsenal genauso abgedreht ist wie die Gegnerhorden. Denn gerade hier ist eine Unmenge an Kreativ hinein geflossen. Von einer schallplattenschießenden Waffe über eine Flammenwaffe in Penisform oder einen Teddybär mit TNT-Gürtel oder einfrierende Cryowaffen ist alles dabei. Wir rücken den Schergen mit Säure, Eis, Feuer und explodierenden Bowlingkugeln auf den Leib und kreieren zu jeder Zeit ein unglaublich befriedigendes Chaos, dass uns mit jedem Abschuss mehr zu belohnen scheint. En unglaublich befriedigendes Gefühl!

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Nicht alles Gold…

So abwechslungsreich die Welt um uns rum aber auch sein mag, leider sind so einige Story-Missionen deutlich repetitive. Zwar werden hier ziemlich regelmäßig neue Konzepte und Gadgets eingeführt – das grundsätzliche Missions-Layout wiederholt sich jedoch gefühlt zu oft. Ein Luxusmakel, der jedoch durch die ansonsten wirklich guten Ausführung deutlich schwerer ins Gewicht fällt. Auch technisch ist nicht alles eitel Sonnenschein – zwar sieht Sunset Overdrive im Comic-Stil wirklich unglaublich gut aus, dafür hatten wir gerade zum Release mit einigen – unter anderem auch Game-Breaking- Bugs zu kämpfen. So konnten schon beim zweiten Spieldurchlauf die Konsole neu starten, weil der Charakter ohne Kopf und steifgefroren ins Level geladen wurde. Auch hier wieder nur kleine Makel, die bei der restlichen Qualität aber wirklich negativ auffallen.

Wer abseits der Story von Sunset Overdrive immer noch nicht genug hat, was auch durchaus vorkommen kann, der kann Online in Koop-Matches mit bis zu sieben anderen in die Schlacht ziehen. Der Mutliplayer-Part ist dabei sehr abwechslungsreich gestaltet und wirkt nicht aufgesetzt, sondern genau richtig und passend. Gestartet wird dieser auch nicht über ein Menü, sondern über das Betreten von Foto-Kabinen. Im folgenden werden dann verschiedene Spielmodi absolviert, die mit verschiedenen Aufgaben daher kommen. Diese gehen von dem Erledigen diverser Mosnter- und Roboterhorden bis hin zu Kletteraufgaben oder Ähnlichem. Dabei wird nach jeder Runde demokratisch abgestimmt, was als nächstes passieren soll und endet in einer riesigen Koop-Runde Night-Defense. Diese existiert auch im Einzelspielerpart und ist im Prinzip eine Tower-Defense-Variante, in der Horden von Monstern in Wellen von der Basis ferngehalten werden müssen.

Zusammengefügt ist Sunset Overdrive ein unglaublich befreiendes Erlebnis, denn anders als andere Spiele wirkt diese freie und unbekümmerte Art des Gameplays nicht aufgesetzt. Es wirkt originell und unberührt, frei von Beschränkungen, strotzt vor kranker Kreativität. Und das ist gut so! Wir hatten einen Heidenspaß mit Sunset Overdrive und werden mit Sicherheit noch sehr viel mehr Zeit in Sunset City verbringen, denn auch wenn dieses Schätzchen nicht das beste Spiel aller Zeiten ist, so ist es doch der größte Spaß den wir in sehr langer Zeit hatten. Und am Ende ist es schließlich das, was zählt. Für Besitzer einer Xbox One ein No-Brainer, denn besser wird es dieses Jahr wohl nicht mehr – schon gar nicht im Hinblick auf die Exklusivtitel!

Gaming
[next-gamer.de] · 15.11.2014 · 15:20 Uhr
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