Herausforderung Energiewende: Glasindustrie sieht steinigen Weg zur Klimaneutralität
Die deutsche Glasindustrie blickt einem beschwerlichen Pfad entgegen, soll das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden. Oliver Wiegand, Geschäftsführer von Wiegand-Glas, eines der führenden Unternehmen der Branche, teilte im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur mit, dass noch umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeit erforderlich sei. Die Umstellungskosten seien enorm und eine zuverlässige Stromversorgung sei ungewiss. Wiegand-Glas, mit einem Marktanteil von rund 25% an der Gesamtproduktion deutscher Glasbehälter, sieht die Zielerreichung bis 2035 oder 2040 als "sehr ambitioniert" an.
Nach Wiegand stellen die technischen Herausforderungen ein bedeutendes Risiko dar, denn die benötigte Ausrüstung müsste erst noch entwickelt werden. Zudem sei eine Umrüstung der bestehenden Schmelzwannen auf elektrischen Betrieb nicht einfach umsetzbar, was das Unternehmen sogar zum Neubau auf der grünen Wiese veranlassen könnte, da moderne Anlagen in den aktuellen Werkshallen keinen Platz fänden.
Wiegand unterstreicht ebenfalls die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Stromversorgung. Energieanbieter benötigten bis zu einem Jahrzehnt Vorlaufzeit, bevor die benötigte Menge Strom zur Verfügung stünde. Dies bedeute, dass alle Investitionen in diesem Zeitraum weiterhin auf fossiler Basis beruhen würden. Angesichts der Investitionshöhen von bis zu 100 Millionen Euro pro Schmelzwanne, die erst nach etwa zwölf Jahren sich zu amortisieren beginnen, sei dies keine Kleinigkeit.
Des Weiteren betont der Geschäftsführer die Unsicherheit hinsichtlich der Stromversorgung. Bei rein elektrischer Beheizung der Schmelzwannen drohe bei Stromausfällen von einer Stunde oder länger die Gefahr der Zerstörung dieser Anlagen. Darüber hinaus beklagt er einen Investitionsbedarf in Milliardenhöhe, welcher mit dem gegenwärtigen Umsatz von etwa 750 Millionen Euro und mangelnden Fördermitteln in Deutschland schwierig zu decken sei.
Trotz der Verbundenheit zu Deutschland eröffnet dies Überlegungen zu Investitionen außerhalb der EU, um wettbewerbsfähig zu bleiben – eine Option, die in letzter Zeit verstärkt in den Fokus rückt. Die Wettbewerbsfähigkeit hängt stark von günstigen Strompreisen ab, da Preiserhöhungen seitens der Massenabfüller und Discounter kaum akzeptiert würden.
Das Wiegand-Werk in Schleusingen wird diesen Mittwoch hochrangige politische Besuche erhalten, darunter Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt und Thüringens Energieminister Bernhard Stengele (beide Grüne), um die Problematik der Dekarbonisierung in der Glasindustrie zu diskutieren. (eulerpool-AFX)