Googles Milliarden-Investition – Fortschritt oder neue Abhängigkeit?
In der hessischen Landesvertretung in Berlin inszenierte sich Google als Partner der Zukunft. Zwischen Plastikpflanzen, grünen Screens und klimaneutralem Pathos verkündeten Deutschlandchef Philipp Justus und Cloud-Chefin Marianne Janik die Rekordsumme. Bis 2029 sollen in Dietzenbach und Hanau neue Rechenzentren entstehen, unterstützt durch Investitionen in saubere Energie und Wärmerückgewinnung. Rund 9000 Arbeitsplätze sollen gesichert werden.
Politisches Signal in schwierigen Zeiten
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil sprach von einem „BIP-Booster“, Hessens Digitalministerin Kristina Sinemus von einem „starken Bekenntnis zum Standort Deutschland“. Google selbst lobte die „gute Zusammenarbeit mit Behörden und Forschung“ – trotz hoher Strompreise. Doch die Investition ist nicht nur ein Wirtschaftsereignis, sondern auch ein strategisches Manöver.
Denn in Deutschland wächst die Skepsis gegenüber der Abhängigkeit von US-Digitalanbietern. Seit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus und seinen erratischen Anordnungen ist das Vertrauen in amerikanische Unternehmen erneut erschüttert. Besonders sicherheitspolitische Kreise sehen in der Dominanz von Google, Microsoft und Amazon ein geopolitisches Risiko – auch für staatliche IT.
Der Preis der Cloud
Besonders brisant: Der IT-Dienstleister der Bundeswehr, BWI, will sensible Daten künftig in Google-Clouds speichern – „air-gapped“, also physisch vom Internet getrennt. Doch Kritiker warnen vor „theoretischer Erpressbarkeit“ durch US-Gesetze wie den Cloud Act, der amerikanischen Behörden Zugriff auf Daten ermöglichen kann. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter und Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz fordern deshalb eine europäische Antwort – weg von digitaler Abhängigkeit, hin zu technologischer Souveränität.
Wie real diese Gefahr ist, zeigte der Fall des Internationalen Strafgerichtshofs: Nach US-Sanktionen gegen dessen Chefankläger wurde dessen Microsoft-Account einfach deaktiviert. Der IStGH reagierte und wechselte zu einer Open-Source-Lösung aus Deutschland – ein Symbol für Europas wachsenden Willen zur digitalen Eigenständigkeit.
Milliarden mit begrenzter Wertschöpfung
Trotz geopolitischer Bedenken ist der Investitionsboom ungebrochen. Neben Google investieren auch Microsoft und Nvidia massiv in deutsche Rechenzentren. Laut Digitalverband Eco könnte der Energiebedarf der Zentren bis 2030 um 54 Prozent steigen – Deutschland wäre damit der größte Rechenzentrumsstandort Europas.
Doch die Kehrseite: Der Großteil der Technologie stammt weiterhin aus den USA. Chips, Software und Cloud-Systeme kommen von Nvidia, Microsoft, Amazon – kaum etwas davon wird hierzulande produziert. Die sichtbaren Milliarden schaffen Infrastruktur, aber wenig echte Unabhängigkeit.


