Trotz Warnungen aus Washington – EU-Kommission verhängt Millionenstrafe gegen X
Drei Verstöße, 120 Millionen Euro
Laut EU-Kommission verstößt X gegen zentrale Transparenzpflichten des DSA. Die Strafe setzt sich aus drei Teilen zusammen:
– 45 Millionen Euro wegen irreführender Verifizierungssymbole,
– 40 Millionen Euro wegen fehlendem Datenzugang für Forscher,
– 35 Millionen Euro wegen mangelhafter Werbetransparenz.
Die EU argumentiert, die seit Musks Übernahme geänderte Praxis der blauen Häkchen sei für Nutzer irreführend: Der optische Eindruck suggeriere weiterhin eine geprüfte Identität, obwohl inzwischen jeder zahlende Nutzer das Symbol kaufen kann. Gerade nach der Einführung im Jahr 2022 hatten sich mehrfach Fake-Accounts als vermeintlich echte Unternehmensprofile ausgegeben – mit teilweise erheblichen Verwerfungen.
Die Entscheidung ist die erste DSA-Strafe überhaupt. Die Kommission betont, dass die Geldbuße verhältnismäßig sei und nicht an den Umsatz des Unternehmens gekoppelt ist.
US-Regierung warnt – und reagiert gereizt
Die Strafe kommt zu einem sensiblen Zeitpunkt: Washington hatte Brüssel zuvor öffentlich gewarnt. US-Vizepräsident JD Vance bezeichnete die Vorgehensweise als Angriff auf die Meinungsfreiheit und warf der EU vor, amerikanische Firmen „wegen Müll“ zu bestrafen.
In ihrer neuen Sicherheitsstrategie äußerte die amerikanische Regierung zudem Sorgen über eine „Zensur der freien Meinungsäußerung“ in Europa. Beobachter werten die Aussagen als Hinweis auf zunehmende Spannungen zwischen EU-Regulierung und amerikanischer Technologiepolitik.
Musk könnte vor Gericht ziehen
Mit Spannung wird erwartet, wie Elon Musk auf die Entscheidung reagiert. Bereits nach der Veröffentlichung vorläufiger EU-Ergebnisse im Sommer hatte er mit Ironie geantwortet und die Authentizität europäischer Beamter infrage gestellt.
Juristisch könnte der Fall vor den Europäischen Gerichtshof ziehen. Hinter den Kulissen gilt die Sache als heikel: Ein verlorener Prozess wäre ein schwerer Schlag für die Glaubwürdigkeit des DSA – insbesondere, weil X der erste Konzern ist, gegen den finanzielle Sanktionen verhängt werden.
Das Unternehmen hat nun 60 Werktage Zeit, um Anpassungen anzukündigen oder Einspruch einzulegen.
Was der DSA verlangt – und warum es jetzt ernst wird
Der Digital Services Act gilt seit Februar 2024 und ist das zentrale Instrument der EU, um große Onlineplattformen stärker zu regulieren. Er verpflichtet Unternehmen dazu,
– illegale Inhalte schneller zu entfernen,
– Risiken für Kinder und Jugendliche stärker zu kontrollieren,
– ein öffentliches Anzeigenarchiv zu führen,
– unabhängigen Forschern Zugang zu relevanten Daten zu gewähren.
Bei Verstößen sind Strafen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes möglich. Dass die Kommission nun erstmals durchgreift, wird in Brüssel als Signal gewertet: Regeln gelten auch für Tech-Milliardäre.
TikTok kommt vorerst ohne Strafe davon
Parallel dazu gab die EU bekannt, ein Verfahren gegen TikTok wegen intransparenter Werbung einzustellen. Die Plattform habe verbindliche Zusagen gemacht, ihre Anzeigenbibliothek auszubauen und transparenter zu gestalten.
Andere Untersuchungen – etwa zur Wirkung auf Kinder und demokratische Prozesse – laufen jedoch weiter. TikTok bleibt wie X unter verschärfter Beobachtung.
Weitere Konflikte mit X wahrscheinlich
Die nun verhängte Strafe dürfte nicht die letzte sein. Seit Dezember 2023 prüft die EU weitere mögliche Verstöße der Plattform, unter anderem beim Umgang mit Desinformation und illegalen Inhalten.
Sollte X keine strukturellen Verbesserungen umsetzen, könnten zusätzliche Bußgelder folgen – deutlich höher als die aktuellen 120 Millionen Euro. Der Fall wird damit zum Testlauf für die Durchsetzungskraft der europäischen Digitalregeln.
Für das Verhältnis zwischen Brüssel und Washington ist schon jetzt klar: Dieser Konflikt hat gerade erst begonnen.


