Gesundheit gilt in FDP als Test für die Koalition
Als entscheidender Testfall, der zu einem raschen Ende des Bündnisses führen könnte, werden bei den Freidemokraten jetzt die abschließenden Verhandlungen über die Gesundheitsreform am kommenden Wochenende gesehen.
«Davon hängt das Schicksal der Koalition ab», sagte ein führender Vertreter der FDP der Nachrichtenagentur dpa. Es gebe in der Parteiführung kein Interesse an einer Neuwahl. «Aber es kann eine Situation entstehen, bei der ein Ende mit Schrecken besser ist als ein Schrecken ohne Ende», wurden FDP-Spitzenleute zitiert. «Man muss jetzt abrüsten», wurde auch betont. «Es gibt den ernsten Willen zum Zusammenraufen auf allen Seiten.» Aber der Druck von der FDP-Basis auf die Parteispitze sei «enorm groß». Bei der Gesundheitsreform will die FDP einen einkommensunabhängigen Beitrag durchsetzen, wie er im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Vor allem die CSU ist dagegen.
Offiziell gab es am Montag keine Sitzungen der FDP-Parteigremien. FDP-Chef Guido Westerwelle war bei einem EU-Außenministertreffen in Luxemburg. Wie es hieß, hat er engen Kontakt zu Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), um die Lage in der Koalition unter Kontrolle zu halten.
Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa empfahl Baden-Württembergs FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke der Bundesregierung dringend, den Konflikt zum Thema Gesundheit vor der Wahl des Bundespräsidenten beizulegen.
«Es wäre mit Sicherheit förderlich, das Thema Gesundheit vor der Bundespräsidentenwahl abzuräumen», sagte Rülke am Montag in Stuttgart. Ansonsten könnte der Streit aus dem Ruder laufen und es Abweichler bei der Wahl des schwarz-gelben Kandidaten Christian Wulff (CDU) geben.
Ein Kompromiss zwischen FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler und der CSU sei trotz großer Differenzen weiter möglich, glaubt Rülke. Die gegenseitige Beschimpfung mit Ausdrücken wie «Wildsau» und «Gurkentruppe» hält Rülke für eine «liebevolle Frotzelei». Er sagte aber auch: «Natürlich muss sich auch die CSU bewegen.» Aus der CSU kommen bisher unterschiedliche Signale: Während CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt damit drohte, auch den nächsten Reformvorschlag von Rösler scheitern zu lassen, zeigte sich CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich kompromissbereit.
Die Sympathien bei der liberalen Basis für den rot-grünen Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck bereiten Rülke kein Kopfzerbrechen. «Ich gehe davon aus, dass unsere Wahlmänner und - frauen Herrn Gauck sympathisch finden, aber Herrn Wulff wählen.» Dass sich die Jungen Liberalen (JuLi) im Südwesten mehrheitlich gegen Wulff ausgesprochen haben, ist für Rülke kein Problem. «Mit dieser Empfehlung kann ich gut leben, da kein JuLi zur Bundesversammlung fährt.» Die FDP-Landtagsfraktion schickt am 30. Juni acht Wahlleute nach Berlin - sieben Abgeordnete sowie den Sportfunktionär und IOC- Vizepräsidenten Thomas Bach.
An ein baldiges Auseinanderbrechen der schwarz-gelben Koalition im Bund glaubt Rülke nicht. «Ein Ende von Schwarz-Gelb ist nicht absehbar.» Der FDP-Politiker verlangte aber, dass Spitzenpolitiker der Union sich zu dem Sparpaket bekennen. Kritik äußerte er deshalb an Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der darüber spekuliert hatte, dass der Bundestag einen höheren Spitzensteuersatz beschließen könnte. «Herr Schäuble muss wissen, was er sagt und sich auch seiner Verantwortung bewusst sein.»