EU-Türkei-Debatte wird im Wahlkampf schärfer
Die Regierungschefin habe bislang jeder Eröffnung eines neuen Verhandlungskapitels zugestimmt. In der Union werde der Beitritt jedoch abgelehnt, kritisierte Schulz. Der SPD-Politiker wird in den eigenen Reihen als neuer deutscher EU-Kommissar gehandelt. In der CDU wird für diesen Posten dagegen der frühere Unions-Bundestagsfraktionschef Friedrich Merz favorisiert.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bekräftigte in der «Welt am Sonntag» seine Ablehnung einer EU-Mitgliedschaft Ankaras: «Bei aller Freundschaft, bei aller Bedeutung der Türkei, die volle Mitgliedschaft würde die Chance einer politischen Union dramatisch gefährden, wenn nicht unmöglich machen.» Eine Europäische Union (EU) mit der Türkei finde nicht die Zustimmung der Menschen. Es sei ein Stück Ehrlichkeit, im laufenden Wahlkampf zur Europawahl deutlich zu sagen, dass die EU die Grenzen des Kontinents nicht überschreiten sollte, sagte Schäuble.
Auch nach Einschätzung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), würde ein Beitritt der Türkei die EU «politisch, kulturell, finanziell und geografisch überfordern». Selbst wenn die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu einem Abschluss kämen, dürfe es «keinen Automatismus geben», forderte Pöttering im «Hamburger Abendblatt». «Die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament müssen frei sein in ihrer Entscheidung, ob sie dem Beitritt zustimmen oder eine andere Form der Partnerschaft anstreben.»
Pöttering machte sich für Merz als neuen EU-Kommissar stark: «Friedrich Merz ist eine hervorragende Persönlichkeit.» Die Union habe seit 20 Jahren keinen Kommissar gestellt. «Es ist völlig legitim, dass die CDU diesen Anspruch für sich erhebt.» Entscheiden müsse darüber jedoch die neue Bundesregierung nach der Wahl im Herbst. Auch Schäuble hatte eine Nominierung von Merz für die Nachfolge von Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) als «hervorragende Lösung» bezeichnet. Verheugen scheidet nach zwei Amtszeiten in der EU-Kommission aus.
Der CDU-Wirtschafts- und Finanzpolitiker Merz hatte 2002 einen Machtkampf mit der CDU-Vorsitzenden Merkel verloren, die ihn aus dem Amt des Fraktionschefs verdrängt und selbst den Posten übernommen hatte. Merz legte 2004 dann auch seine Ämter als Fraktionsvize und CDU-Präsidiumsmitglied nieder und konzentrierte sich auf seine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Bei der Bundestagswahl im Herbst bewirbt sich der 53-Jährige auch nicht mehr um ein Mandat.