Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine: Kein automatischer Bündnisfall für die Nato
Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages haben in einer aktuellen Bewertung klargestellt, dass die Entsendung von Bodentruppen durch ein einzelnes Nato-Land in die Ukraine nicht automatisch alle anderen Mitgliedsstaaten zu Konfliktparteien machen würde. Sofern eine solche Aktion unilateral, das bedeutet ohne ein vorheriges Nato-Mandat und außerhalb von Nato-Kommandostrukturen, erfolgt, gilt der betreffende Staat als alleinige Konfliktpartei. Die Analyse, die in einer noch nicht öffentlich gemachten Expertise des Parlaments ausgeführt wurde, kommt zu dem Schluss, dass weder die Nato als Ganzes noch andere Nato-Partner durch derartige Aktionen eines Mitgliedstaats zu Konfliktparteien werden. Dieser Sachverhalt ist gerade angesichts der jüngsten Äußerungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der einen solchen Einsatz nicht ausschloss, und der ablehnenden Position von Bundeskanzler Olaf Scholz von Bedeutung. Die Frage, welche Konsequenzen die Entsendung von Bodentruppen im Hinblick auf den Bündnisfall für die Nato haben könnte, bei dem sich die Mitglieder gegenseitig unterstützen müssen, wurde von der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch an die Wissenschaftlichen Dienste herangetragen. Die Experten äußerten sich auch zum Szenario einer kollektiven Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der VN-Charta und stellten klar, dass im Falle eines Angriffs auf die entsandten Truppen durch die Gegenseite – in diesem Kontext Russland – kein Fall nach Artikel 5 des Nato-Vertrags vorliegt, welcher einen Angriff auf Nato-Länder und Truppen innerhalb ihres Territoriums vorsieht. Weiterhin wurde betont, dass das militärische Engagement französischer Bodentruppen zur Unterstützung der Ukraine völkerrechtlich legitim wäre. Eine Reaktion Russlands gegen Ziele in Frankreich hingegen würde einen völkerrechtswidrigen Angriff darstellen, der den Bündnisfall nach Nato-Recht auslösen könnte. Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, eine neutrale und sachliche Denkfabrik des Parlaments, besteht aus acht Fachbereichen und besteht aus etwa 100 Mitarbeitern. Sie sind dafür verantwortlich, Abgeordneten und Gremien des Bundestags fundierte Analysen und Gutachten zu liefern. (eulerpool-AFX)