China dreht den Rohstoffhahn zu – deutsche Industrie in Panik
„So eine Situation habe ich noch nie erlebt“
China hat Ende vergangener Woche massiv den Export von Seltenen Erden und zugehörigen Technologien eingeschränkt – ein bislang beispielloser Schritt im Handelskonflikt mit den USA, der nun auch Europa mit voller Wucht trifft. Für deutsche Unternehmen könnte das dramatische Folgen haben.
„Seit 1990 bin ich im Geschäft, aber so etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt Matthias Rüth, Chef des Frankfurter Rohstoffhändlers Tradium, im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. „Auch wenn ich das ungern sage: Es wäre jetzt angemessen, von Panik zu sprechen.“
Die Lage sei völlig gekippt. „Früher war immer alles verfügbar – mal teurer, mal billiger. Jetzt geht es nicht mehr ums Geld, sondern darum, ob man überhaupt noch Ware bekommt.“
Panikkäufe, Engpässe, Preisschübe
Laut Rüth erhalten Händler derzeit von der chinesischen Regierung nur noch stark begrenzte Mengen bestimmter Metalle. Die Nachfrage in Deutschland übersteigt das Angebot um ein Vielfaches. „Wir werden mit Anfragen überhäuft, könnten das Zehnfache verkaufen, aber wir müssen Kunden wegschicken.“
Besonders kritisch sei die Lage bei Seltenen Erden, Gallium und Germanium – Metallen, die in Halbleitern, Batterien, Magneten und militärischer Elektronik unverzichtbar sind. Einige Unternehmen würden bereits Gebote mit Aufschlägen von bis zu 40 Prozent abgeben, nur um noch beliefert zu werden.
„Das ist keine Preisdiskussion mehr – das ist ein Überlebenskampf“, so Rüth.
Produktionsstillstand droht
In der Magnet- und Elektroindustrie sei die Situation „hoch angespannt“. Erste Hersteller stünden kurz davor, die Produktion zu stoppen. „Wenn jetzt essenzielle Rohstoffe fehlen, droht Stillstand im großen Stil“, warnt Rüth.
Das Problem: China kontrolliert über 95 Prozent der weltweiten Produktion Seltener Erden. Alternative Lieferländer wie Indien, Australien oder Brasilien verfügen zwar über Vorkommen, aber nicht über die komplexe Aufbereitungstechnologie. Neue Anlagen würden Jahre benötigen – und Fachwissen fehlt.
China setzt Machtinstrument gezielt ein
Beobachter sehen in der Exportbeschränkung eine klare Machtdemonstration Pekings. Sie trifft nicht nur die USA, sondern auch Europas Industrie – von der Automobil- bis zur Rüstungsbranche.
Rüth berichtet, dass chinesische Händler „nicht glücklich“ über die Einschränkungen seien, da sie auf Auslandserlöse verzichten müssten. „Aber wer gegen die Auflagen verstößt, riskiert Gefängnis. Schmuggelware ist praktisch ausgeschlossen.“
Der Verwaltungsaufwand für Ausfuhrgenehmigungen sei enorm, sagt Rüth. „Doch China hat die Zeit auf seiner Seite – der Rest der Welt hat das Nachsehen.“
Europas Abhängigkeit bleibt – wohl für ein Jahrzehnt
Auf die Frage, wie lange Europa braucht, um unabhängiger von China zu werden, antwortet Rüth ernüchternd: „Wenn das in weniger als zehn Jahren gelingt, wäre ich überrascht.“
Die Gründe: hohe Energiepreise, komplexe Genehmigungsverfahren, fehlende Expertise – und ein Risiko, das viele Investoren abschreckt. „Was, wenn China morgen wieder öffnet und die Preise fallen? Dann stehen neue Produzenten vor dem Aus.“
Trotzdem hält Rüth den Versuch für notwendig. „Wir müssen anfangen, eigene Kapazitäten aufzubauen – auch wenn es teuer wird.“
Appell an Industrie und Politik
Der Händler rät deutschen Firmen, sich strategische Rohstoffreserven für mehrere Monate anzulegen, um Engpässe abzufedern. „Einige Kunden tun das schon. Die meisten fahren aber auf Sicht – und das ist leichtsinnig.“
Von der Politik fordert er weniger Bürokratie, schnellere Genehmigungen und staatliche Vorräte. Ein Rohstofffonds könne helfen, kritische Metalle gezielt an heimische Unternehmen zu verteilen. „So machen es die Chinesen – und sie sind uns um Jahre voraus.“
Eine Milliarde Euro, schätzt Rüth, „wäre dabei kaum mehr als ein Anfang.“


