Atomvertrag mit Hintertüren löst Protestwelle aus

Berlin (dpa) - Der zunächst geheime Atomvertrag schreibt nach Angaben der Regierung keinen Ausverkauf der Sicherheit fest. «Es gibt nun wirklich nichts zu verheimlichen», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag.

«Dass die Kanzlerin der Öffentlichkeit keinen reinen Wein eingeschenkt hat, weise ich zurück.» Sicherheit stehe an erster Stelle. Die Opposition prüft rechtliche Schritte, sie spricht von einem Schaden für die Demokratie.

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sagte, er wäre gerne früher über die Abmachung mit den Energiekonzernen informiert worden. Laut ZDF-Politbarometer sind 61 Prozent gegen die bis zu 14 Jahre längeren Laufzeiten für die 17 Atommeiler.

Die Atomkonzerne haben sich in dem Vertrag mehrere Schutzklauseln zusichern lassen. Liegen die Kosten für eine mögliche Nachrüstung der Atomkraftwerke über 500 Millionen Euro je Meiler, erhält der Bund von den Unternehmen weniger Geld für seinen Öko-Energiefonds.

Mehrere Minister und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten sich zur Laufzeitverlängerung und zum neuen Energiekonzept geäußert, jedoch nicht auf die kurz nach dem Gipfel in der Nacht zum Montag unterschriebene Vereinbarung zur Abschöpfung der Zusatzgewinne der Konzerne hingewiesen. Dass diese existiert, hatte RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz beiläufig auf einem Kongress erwähnt.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte im rbb das Abkommen. Die Regierung habe mit den Konzernen «oft kontrovers gesprochen, aber dafür haben wir auch eine wirklich vernünftige, ausgewogene Lösung gefunden».

Der FDP-Umweltexperte Michael Kauch sagte, es gebe keine Zugeständnisse bei der Sicherheit: «Diese Bundesregierung macht mit den Nachrüstauflagen die Kernkraftwerke so sicher wie nie zuvor.» Das Umweltministerium betonte: «Die Sicherheit von Kernkraftwerken hat absoluten Vorrang vor dem wirtschaftlichen Betrieb». Auch werde das Klagerecht der Bürger für mehr Sicherheit bei Atommeilern im neuen Atomgesetz nicht ausgehebelt.

Nicht nur bei höheren Nachrüstkosten, sondern auch wenn es eine Verkürzung der im Schnitt 12 Jahre längeren Laufzeiten gibt, fließt weniger Geld. Dies geht aus dem inzwischen von der Regierung veröffentlichten Vertrag hervor. Das gleiche gilt, wenn die von 2011 bis 2016 geplante Atomsteuer verlängert oder erhöht wird.

Damit wurden Fallstricke eingebaut, die es bei einem Regierungswechsel schwerer machen, Änderungen an dem Vertrag durchzusetzen. Die Stadtwerke zeigten sich erstaunt. Sie fürchten ohnehin schon, dass sich ihre Investitionen in Öko-Energien nicht rechnen, wenn die Regierung die Meiler länger am Netz lässt. Nach Ansicht der Verbraucherzentralen werden die längeren AKW-Laufzeiten nicht zu Strompreissenkungen führen.

Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad und Justizminister Heinz-Georg Bamberger (beide SPD) stellten die Verfassungsmäßigkeit des tagelang unter Verschluss gehaltenen 10- seitigen Dokuments infrage. Aus rechtlicher Sicht sei eine vertragliche Bindung künftiger Regierungen höchst zweifelhaft.

SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Regierung vor, «die Öffentlichkeit belogen zu haben». Der Vertrag offenbare, dass die alten Meiler entgegen früheren Aussagen keinesfalls sicherer würden. Es sei schon schlimm genug, dass die Bundesregierung den Bundesrat in der Atomfrage umgehen wolle. Dass nun aber noch mit den vertraglichen Abmachungen der Bundestag als gesetzgebendes Organ außer Acht gelassen werde, sei ein politischer Skandal. Auch Transpareny International warnte vor einer Aushebelung der Demokratie.

Linke-Chefin Gesine Lötzsch forderte Kanzlerin Merkel auf, das Atompaket nicht umzusetzen. Es gehöre in den Papierkorb. Grünen- Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von einem «Vertrag zu Lasten der Steuerzahler und der Sicherheit der Bevölkerung». «Die Sicherheit wird ausgehebelt, weil sie käuflich wird», sagte er der dpa.

Der Sprecher des Anti-Atom-Bündnisses «ausgestrahlt», Jochen Stay sagte, auf einen Schutz gegen Flugzeugabstürze verzichte die Regierung nun ganz. «Das zeigt: Die Sicherheit der AKW steht für Schwarz-Gelb nicht an erster, sondern an letzter Stelle.» Für den 18. September rechnen die Veranstalter bei einer Anti-Atom-Demonstration in Berlin mit mehreren zehntausend Teilnehmern.

LobbyControl-Vorstand Heidi Klein sagte der dpa, bei der Hotel- Steuer, der Gesundheitsreform oder dem Atomkompromiss seien demokratische Grundregeln infrage gestellt worden. «Da muss die Politik dringend Schranken setzen.» Klein forderte ein verbindliches Lobby-Register. «Die Entwicklung ist erschreckend, wenn man sich das aus einer demokratischen Perspektive anschaut», sagte Klein.

Am Freitag wurde zudem bekannt, dass im maroden Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel zehnmal mehr Fässer mit mittelradioaktivem Abfall als bisher angenommen lagern. Damit steigt auch das Risiko bei der geplanten Räumung des alten Salzbergwerks. Unter Tage liegen dort insgesamt rund 126 000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Abfall. Die Sanierung wird mehrere Milliarden Euro kosten.

Atom-Vereinbarung

Energie / Atom
10.09.2010 · 18:31 Uhr
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