Analyse: Mit Vollgas in Richtung Eigenständigkeit
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte aber auch unmittelbar vor dem Opel-Spitzengespräch im Kanzleramt vor allzu großer Euphorie gewarnt.
Die bislang vorgelegten Konzepte der Opel-Interessenten überzeugten ihn nicht - unter anderem, weil die Investoren Milliarden-Bürgschaften fordern, aber wenig eigenes Kapital einbringen wollen. Auf ein Milliardengrab für deutsche Steuergelder kann sich die Politik jedoch selbst in einem Wahljahr nicht einlassen, wenn die Unternehmen ihrerseits das Risiko scheuen. «Es sind weiterhin erhebliche Fragen offen bei allen Investoren», betonte der Minister - und erinnerte erneut an die Möglichkeit einer «Planinsolvenz».
Guttenberg sah vor allem auch das geplante Treuhandmodell für Opel noch nicht in trockenen Tüchern. «Wir brauchen dringend diese Einigung mit der US-Seite.» Mit dem Modell soll Opel aus dem Insolvenzstrudel des Mutterkonzerns General Motors (GM) herausgehalten werden. Für diese Zwischenlösung stand aber laut Guttenberg zunächst noch der Segen US-Finanzministeriums aus. «Von daher will ich jetzt nicht vorauseilend in den Jubel einstimmen, den einige hier schon verkündet haben», gab sich der Minister nüchtern.
Aus dem Grunde galt es als wahrscheinlich, dass bei dem «Opel- Gipfel» am Mittwochabend im Kanzleramt noch kein bevorzugter Investor für Opel festgelegt wird. Bis ein Zusammengehen mit Opel tatsächlich unterschriftsreif ist, stehen noch lange Verhandlungen an. Würde ein Favorit ausgemacht, könnte dieser Erpressungspotenzial entwickeln. Die Situation ist schon prekär genug: «Die Interessenten wissen genau, dass wir uns im Bundestagswahlkampf befinden», sagte der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung, Hans-Werner Sinn. «In dieser Zeit ist es fast unmöglich für einen Politiker, ein Traditionsunternehmen wie Opel insolvent gehen zu lassen.»
Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) feierte dennoch schon die Nachricht der rechtlichen Abspaltung: «Das ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einem selbstständigen europäischen Opel-Unternehmen und eine wichtige Voraussetzung, um Opel zu retten.» Mit der immer wahrscheinlicher werdenden Insolvenz von GM in den USA hätte der europäische Teil des Unternehmens dann nichts mehr zu tun. Damit hätte die Bundesregierung ein erstes wichtiges Ziel erreicht.
Hinter der Entscheidung von GM, sämtliche Werke in Europa mit Ausnahme Russlands, die Verkaufsorganisation, die Patente und die Rechte an Technologien an Opel zu übertragen, steht die US-Regierung. Sie zeigt damit auch Entgegenkommen für die Treuhandlösung. Experten hatten zuletzt daran gezweifelt, dass GM und Washington der Treuhand-Lösung zustimmen könnten. Denn sie geben praktisch kostenlos Kapital ab. Autoexperte Christoph Stürmer vom Wirtschaftsforschungsinstitut Global Insight in Frankfurt sagt: «Das zeigt, dass GM und Washington daran interessiert sind, sich alle nicht-amerikanischen Probleme schnell und ohne Rücksicht auf Verluste vom Hals zu schaffen.»
In Rüsselsheim wird zudem vermutet, dass GM die letzte Chance beim Schopfe gepackt haben könnte, weiter Mitsprachemöglichkeiten bei Opel zu haben: In der Treuhandlösung sollen die beteiligten Regierungen und GM gleichberechtigt das Kommando haben, bis die Verträge mit den neuen Chefs unterschrieben sind. Hätte GM Opel mit in die Insolvenz gerissen, wäre jeder Einfluss aus Detroit verloren gegangen.
Betriebsratschef Klaus Franz sieht sich fast am Ziel seiner Wünsche. Nach 80 Jahren im Schoß der großen Mutter GM träumen in Rüsselsheim und an den anderen Opel-Standorten viele von einer größeren Eigenständigkeit, in der das firmeninterne Ingenieurswissen sich frei entfalten könnte. Häufig - so empfinden es die Opelaner - hatten die GM-Herren in Detroit kein Gefühl für den qualitätsorientierten Markt in Europa und verordneten einen kontraproduktiven Sparkurs. Die Folge waren ständig sinkende Marktanteile.