Analyse: Griechische Steuersünder am Pranger

Athen (dpa) - Selbst Griechenlands Prominente wollten ihren Namen am Montag nicht in der Zeitung lesen. Denn die meisten Blätter waren von der Bühne zum Pranger geworden.

Sie druckten Auszüge der «Liste der Schande», wie Finanzminister Evangelos Venizelos die 170 Seiten nennt, auf denen die Regierung am Sonntagabend die Namen von 4000 Steuersündern ins Internet gestellt hat. Knapp 15 Milliarden Euro schulden sie dem Staat - sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Empörung herrschte in Griechenland, denn auf der Liste stehen auch die Reichen und Schönen - Sänger, bekannte Unternehmer, Sportstars. Auch sie tragen eine Mitschuld an der Wirtschaftsmisere des Landes. Viele von ihnen sollen ihre Betriebe bereits in die Pleite geritten haben oder sogar im Gefängnis sitzen.

Die Schulden von Schlagersänger Tolis Voskopoulos hatten sogar dazu geführt, dass dessen Frau vor wenigen Monaten als stellvertretende Tourismusministerin zurücktreten musste. Bezahlt hat der säumige Sänger trotzdem noch nicht. Auch der frühere Besitzer des Fußballclubs Paok Saloniki, Giorgos Batatoudis, und der ehemalige Basketballstar Michail Misunow stehen auf der Liste.

Trauriger Spitzenreiter ist aber ein Mann, der nur noch der «Schuldenschreck» genannt wird und den Staat um fast eine Milliarde Euro prellte. Als Steuerberater kannte Nikolaos Kasimatis vermutlich alle Tricks und Kniffe und schleuste exakt 952 087 781 Euro am griechischen Fiskus vorbei. Im Knast sitzt der kleingewachsene Mann schon - das Geld hat der Staat aber noch nicht kassiert, berichtete die griechische Presse.

Und da wird das Problem deutlich: Denn die Liste stellt die Sünder zwar bloß - bringt aber noch keinen zusätzlichen Cent in die Staatskasse. «Was die Leute (aus dem Finanzministerium) uns nicht sagen, ist, wie sie zu dem Geld kommen werden», sagte Steuerberater Nikos Wrousis der Nachrichtenagentur dpa am Montag.

Andere Experten gehen davon aus, dass dar Staat «im besten Fall ein Fünftel dieser Schulden kassieren könnte». Denn in vielen Fällen gehören die Namen nur 80 bis 90 Jahre alten Strohmännern, hinter denen sich die wahren Sünder verbergen. Viele Schuldner seien ins Ausland verschwunden, sagen andere Steuerberater. Allein in der Schweiz sollen Griechen Geldeinlagen in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro haben.

Die Liste sei «Müll», meint das Boulevardblatt «Eleftheros Typos» deswegen. Das Finanzministerium werde kein Geld kassieren. Das sei weg und die Schuldner entweder im Gefängnis oder sie hätten sich längst auf und davon gemacht. Die Athener Zeitung «Ta Nea» kommentierte am Montag: «Nun wissen wir offiziell, wer sie sind. Aber: Warum hat der Staat nicht früher reagiert? Und was wird die Strafe sein, für diejenigen, die weiter nicht zahlen wollen?»

Schon im September hatte das Finanzministerium eine Liste mit den Unternehmen veröffentlicht, die dem Staat insgesamt 30 Milliarden Euro schulden. Doch die Enttäuschung war groß: Die meisten Schuldner waren bereits pleite - oder die Unternehmen sogar in öffentlicher Hand. So schuldete selbst der Staat dem Staat Geld. Damals ganz oben auf der Liste: die griechischen staatlichen Eisenbahnen (OSE), die beim Fiskus mit gut 1,26 Milliarden Euro in der Kreide stehen.

Konsequenzen hat die Arbeit der Regierung des parteilosen Finanzexperten Lucas Papademos trotzdem: In den vergangenen zwei Monaten nahmen Polizei und Steuerfahnder rund 90 säumige Unternehmer fest. Darunter sind einer der bekanntesten griechischen Industriellen und der Besitzer einer Fitnessstudio-Kette. Athen gibt den Schuldnern eine letzte Chance: Ein neues Gesetz, das vergangene Woche vom Parlament gebilligt wurde, gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Schulden in 60 Monatsraten abzubezahlen.

Aber bislang scheint nur der kleine Mann dem Staat zu helfen: In den Arbeitervierteln von Athen fordern viele Leute inzwischen Rechnungen von Handwerkern - und lehnen die viel günstigere Schwarzarbeit ab. Auch viele Geschäfte geben seit einigen Monaten an alle ihre Kunden Quittungen aus. Aber viele Menschen zweifeln, dass auch der griechische Jetset dazu bereit sein wird.

EU / Finanzen / Griechenland
23.01.2012 · 22:11 Uhr
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