Report: «Bombardiert bitte weiter!»

Tripolis/Kairo (dpa) - Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi gab auch am fünften Tag der westlichen Angriffe gegen seine Truppen nicht klein bei.

Für eine kämpferische Ansprache bestellte er in der Nacht zum Mittwoch problemlos ein paar Hundert Anhänger als Jubelchor in sein Hauptquartier in der Garnison von Bab al-Asisija. Seine Kampfverbände halten die Front gegen die Oppositionstruppen bei Adschdabija - und lockern den Würgegriff um die eingekesselten Städte Misurata und Sintan nicht.

Doch dass der Diktator großen Rückhalt in der Bevölkerung hätte, darf bezweifelt werden. In Tripolis unterdrückt sein grausamer Sicherheitsapparat jeden Widerspruch. Nur unter dem Schutz der Anonymität gehen die eingeschüchterten Bürger aus sich heraus. «Bitte, bombardieren Sie weiter!», flehte ein Mann aus Tripolis in einem Telefongespräch mit dem britischen Sender BBC. «Nur eine Woche noch, und Gaddafi ist weg.»

Ob eine Woche weiterer Luft- und Raketenangriffe gegen die militärische Infrastruktur Gaddafis ausreichen wird, um ihn in die Knie zu zwingen, ist allerdings nicht so klar. Die Aufständischen, die den Krieg am Boden gewinnen müssten, sind derzeit noch so desorganisiert, dass sie an der Front bei Adschabija selbst gegen die durch die Luftangriffe der Allierten geschwächten Gaddafi-Truppen keine Fortschritte zustande brachten.

Ihr Manko machen sie durch Enthusiasmus wett. Todesmutig werfen sie sich in ihre Jeeps und Autos und rasen auf den Gegner zu. Der zur Opposition übergelaufene Armee-Oberst Mohammed Hariri «hat hier im technischen Sinn das Sagen, aber in Wirklichkeit keine Kontrolle über den Trupp», berichtete der Al-Dschasira-Reporter James Bay vom gefährlichen Schauplatz dieses Geschehens. Der grauhaarige Oberst meinte freimütig: «Es ist selbstmörderisch, was sie machen. Sie opfern sich auf, damit das Land eine Zukunft hat.»

Hätte allerdings die Allianz aus Amerikanern, Briten und Franzosen auf der Grundlage der UN-Sicherheitsratsresolution zum Schutz der Zivilbevölkerung in Libyen nicht eingegriffen, wäre die Oppositionsmetropole Bengasi längst schon an die Regimetruppen gefallen. Nur Stunden vor Beginn der alliierten Angriffe stand die Stadt am vergangenen Samstag an der Kippe zur Einnahme. «Wir sind dankbar dafür, dass die Allianz Bengasi vor dem Genozid gerettet hat», sagte der Sprecher des Oppositionsparlaments, Nissan Guriani, zu Al-Dschasira.

Ganz schlimm ist die Lage in den von Gaddafi-Truppen belagerten Städten Misurata und Al-Sintan. Ohne Wasser und Strom, mit zur Neige gehenden Lebensmittel- und Medikamentenbeständen sind die Bewohner harten Entbehrungen ausgesetzt. «Wir können keinen Fuß aus unseren Häusern setzen, Heckenschützen schießen auf alles, was sich bewegt», schilderte ein Arzt aus Misurata in der BBC die dramatische Lage. «Lange können wir das nicht mehr durchhalten.» Die internationale Gemeinschaft müsse schnell eingreifen.

Tatsächlich zogen sich nach neuen Bombardements die Panzer der Regimetruppen am Mittwoch aus dem Zentrum von Misurata zurück. Doch Gaddafi-Truppen kontrollierten weiter Teile der Stadt, darunter das Krankenhaus und seine Umgebung. «Sie schießen auf jeden, der raus- oder reingeht», sagte ein Arzt der BBC. «Bis jetzt haben wir vier getötete Zivilisten.»

Der Schutz der Zivilbevölkerung vor Gaddfis Rache wird unter diesen Umständen immer schwieriger. «Er setzt jetzt Zivilfahrzeuge und Männer in Zivil ein, um die Städte anzugreifen», teilte ein Oppositionsaktivist über den Kurznachrichten-Dienst mit. In Libyen droht im schlimmsten Fall ein langer und schmutziger Kleinkrieg.

Konflikte / Libyen
23.03.2011 · 23:03 Uhr
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