Zinswende und Konjunkturoptimismus katapultieren europäische Banken auf Höchststände
Europas Großbanken erleben ein unerwartetes Comeback: Aktienkurse von HSBC, Barclays, Santander und UniCredit erreichten in dieser Woche den höchsten Stand seit der globalen Finanzkrise. Der Stoxx-600-Bankenindex liegt seit Jahresbeginn 34 Prozent im Plus und schlägt damit nicht nur die US-Konkurrenz, sondern steuert auf das stärkste Jahr seit 2009 zu.
Wesentlicher Treiber des Aufschwungs ist der kräftige Anstieg langfristiger Zinsen. In Deutschland liegt die Rendite 30-jähriger Bundesanleihen inzwischen um 1,3 Prozentpunkte über der zweijährigen Laufzeit – eine vollständige Umkehr gegenüber der inversen Zinskurve vor zwei Jahren. In Großbritannien beträgt die Differenz sogar 1,5 Prozentpunkte. Diese sogenannte Steepening der Zinsstrukturkurve hat die Nettozinserträge der Banken spürbar steigen lassen.
Analysten sprechen von einer strukturellen Neubewertung: „Europas Banken sind von der Paria-Gruppe zu Marktdarlings geworden“, so Justin Bisseker von Schroders. Ein Mix aus höheren Zinsen, robustem Wirtschaftsumfeld und verbesserter Effizienz treibe die Ertragslage deutlich nach oben. Auch die Volatilität der Finanzmärkte, ausgelöst durch US-Präsident Donald Trumps Wirtschaftspolitik, habe Händlertöchter zusätzlich gestärkt.
Insbesondere HSBC – trotz verfehlter Analystenschätzungen im zweiten Quartal – markierte mit einem Aktienkurs auf 23-Jahres-Hoch ein symbolträchtiges Signal. Auch Barclays und Santander bewegen sich auf Niveaus, die zuletzt 2008 erreicht wurden. UniCredit notiert so hoch wie seit 2011 nicht mehr.
Die fundamentalen Bewertungskennzahlen deuten auf weiteren Spielraum: Viele europäische Institute haben erst kürzlich wieder das Kurs-Buchwert-Verhältnis von 1 erreicht, während JPMorgan Chase und Goldman Sachs auf 2,4 beziehungsweise 2,0 kommen. Auch beim Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zeigen sich Unterschiede – europäische Banken handeln aktuell bei 10, US-Pendants bei über 13.
Nach Jahren magerer Zinsmargen und regulatorisch verordneter Kapitalpuffer kehrt nun wieder ein Maß an Profitabilität zurück. Die Eigenkapitalrendite (Return on Tangible Equity) liegt bei vielen europäischen Instituten inzwischen stabil über 10 Prozent.
Doch nicht alle Analysten teilen die Euphorie. Die lang erwartete Konsolidierung der Branche bleibt aus – politische Widerstände bremsen Fusionsvorhaben wie BBVA-Sabadell oder UniCredit-BPM. „Die Banken sind derzeit das sauberste Hemd im Korb“, kommentiert Francesco Sandrini von Amundi, „aber das Gefühl wächst, dass das Beste bereits hinter uns liegt.“


