Zinsentscheidung der EZB: Warten auf den geldpolitischen Kurswechsel
Die Europäische Zentralbank (EZB) steht heute vor einer wichtigen Zinsentscheidung. Während Kreditnehmer auf eine baldige Entlastung durch sinkende Zinsen hoffen, behalten die europäischen Geldhüter bisher einen straffen Kurs bei. Trotz merklicher Abschwächung der Inflation im Euroraum, die im vergangenen Monat nach einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat auf 2,4 Prozent zurückgegangen ist, gegenüber 6,9 Prozent im Vorjahr, ist eine Lockerung der Zinspolitik bisher ausgeblieben.
Christian Lips, Chefvolkswirt bei der NordLB, weist auf die anhaltend hohe Preisdynamik im Dienstleistungssektor hin, die anstehenden Lohnabschlüsse könnten hier weiterhin eine große Rolle spielen. Diese Entwicklungen möchte die Zentralbank offenbar abwarten, bevor sie weitere geldpolitische Schritte einleitet.
Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, betont die Herausforderungen am 'Ende der Inflationsbekämpfung'. Trotz des Ziels der EZB, eine mittelfristige Inflationsrate von zwei Prozent zu erzielen, zum Zeichen der Preisstabilität, hält eine voreilige Reaktion für verfrüht.
Die jüngsten Einschätzungen von BVR-Chefvolkswirt Andreas Bley deuten ebenso darauf hin, dass mit einer weiter fallenden Inflation zu rechnen ist, jedoch seien die Unsicherheiten nicht zu unterschätzen, insbesondere wegen aktuell steigender Energiepreise und Lohnwachstums.
Nachdem die Zinsen in der Vergangenheit stark angehoben wurden, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen, zeigen sich nun Effekte. Festgeldzinsen sind laut Verivox bereits gesunken, und eine weitere Senkung der Leitzinsen könnte vorweggenommen werden, was laut Verivox-Experte Oliver Müller zu noch niedrigeren Zinsen führen könnte.
Die Stagnation der Tagesgeldzinsen spiegelt ebenfalls eine abwartende Haltung der Banken wider, erläutert Verivox-Experte Maier. Im Bereich der längeren Kreditlaufzeiten, etwa bei Baufinanzierungen, sind laut FMH-Finanzberatung aktuell höhere Zinsen zu beobachten, jedoch könnten diese auch nicht mehr signifikant fallen, wie Deka-Bank-Chefvolkswirt Ulrich Kater kommentiert.
Insgesamt bleibt die Situation für kreditfinanzierte Investitionen und Bauprojekte angespannt. Mit der jüngsten Prognose der EZB, die nur ein Wachstum von 0,6 Prozent in diesem Jahr vorhersagt, könnten sich Forderungen nach einer rascheren Zinsentlastung weiter verstärken. (eulerpool-AFX)