Zehn Jahre Missbrauchskandal: «Sind längst nicht am Ende»

27. Januar 2020, 10:50 Uhr · Quelle: dpa

Berlin (dpa) - Die Aufarbeitung Tausender Fälle früheren Kindesmissbrauchs in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren nach Ansicht von Betroffenen und Experten nur schleppend vorangekommen. Auch bei der Prävention wird fehlendes Engagement kritisiert.

«Wir sind noch längst nicht am Ende», sagte die Vorsitzende der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, Sabine Andresen, der Deutschen Presse-Agentur. Nach wie vor sei die Politik nicht entschieden genug, auch wirklich von allen Institutionen Aufarbeitung, Schutzkonzepte und die Anerkennung der Rechte von Kindern und Jugendlichen konsequent einzufordern.

Vor genau zehn Jahren, am 28. Januar 2010, wurden zahlreiche Missbrauchsfälle am katholischen Elitegymnasium Canisius-Kolleg in Berlin aus den 1970er und 80er Jahren bekannt. Danach kamen deutschlandweit viele weitere Fälle ans Licht. Die Unabhängige Kommission wurde 2016 von der Bundesregierung eingesetzt, um Missbrauch in allen gesellschaftlichen Bereichen aufzuklären, von der Kirche über den Sportverein bis in die Familie. Sie soll Strukturen und Bedingungen aufdecken, die Missbrauch ermöglicht und begünstigt haben. Rund 1600 Betroffene haben dort in Anhörungen oder schriftlich ihre Erlebnisse geschildert.

Auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey sieht noch Handlungsbedarf. «Ob in Schulen, Kitas, Kirchgemeinden oder Sportvereinen - wir müssen überall den bestmöglichen Schutz von Kindern ermöglichen und unsere Anstrengungen weiter intensivieren», sagte die SPD-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag). Sie verwies auf Expertenschätzungen der WHO, dass eine Million Kinder in Deutschland Missbrauch erlebt haben oder erleben. «Das sind pro Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder.»

Kommissionsmitglied Matthias Katsch, der als ehemaliger Schüler und selbst Betroffener wesentlichen Anteil an der Aufdeckung der Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg hatte, kritisierte die Aufarbeitung der Katholischen Kirche in den vergangenen Jahren und erneuerte die Forderung nach Entschädigungszahlungen. «Es muss dieses Jahr für die ersten Betroffenen, die schon so lange warten, zu einer Auszahlung kommen», sagte Katsch der dpa. Betroffene verweisen in Gesprächen und Berichten immer wieder darauf, dass sie durch den Missbrauch wegen seelischer Leiden später nur eingeschränkt oder gar nicht arbeitsfähig waren und finanzielle Probleme haben.

Katsch, der auch die Betroffeneninitiative «Eckiger Tisch» führt, hatte der katholischen Kirche eine pauschale Entschädigung von 300.000 Euro pro Person vorgeschlagen. «Die Summe erschreckt vielleicht im ersten Augenblick», sagte er. «Aber das ist die reichste Kirche der Welt, als Teilkirche der katholischen Kirche.» Der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für Fragen des sexuellen Missbrauchs, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, geht davon aus, dass die Bischöfe im Frühjahr über «eine Weiterentwicklung» des Entschädigungskonzepts entscheiden. Wichtig sei Solidarität mit den Opfern. Über die Finanzierung müsse noch gesprochen werden, hatte er Anfang Januar gesagt.

Bisher gewährt die Katholische Kirche Betroffenen auf Antrag sogenannte «Leistungen in Anerkennung des Leids». Gezahlt werden im Durchschnitt rund 5000 Euro. Auch Kosten für eine Psychotherapie werden übernommen.

Eine von der Kirche selbst in Auftrag gegebene Untersuchung war 2018 zu dem Ergebnis gekommen, dass seit 1946 in ihrem Bereich 3677 Minderjährige von sexuellem Missbrauch betroffen waren. Aktivisten wie Matthias Katsch vermuten, dass viel mehr Kinder missbraucht wurden und fordern, dass unabhängigen Experten Zugang zu den Kirchenakten gewährt wird.

Die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs wies zehn Jahre nach Bekanntwerden der Canisius-Fälle aber auch darauf hin, dass Kindesmissbrauch ein Thema ist, das weit über die Kirche hinausreicht. «Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen kommt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld am häufigsten vor und bleibt meist unerkannt», sagte die Kommissionsvorsitzende Andresen. «Wir müssen Kindern und Jugendlichen zuhören, ihnen glauben und entsprechend handeln.»

Andresen forderte auch einen stärkeren Fokus auf das Thema in der Ausbildung von Sozialarbeitern, Erzieherinnen und Lehrern. In jedem Kollegium müsse mindestens eine Person sein, die ansprechbar sei und sich mit dem Thema auskenne. Zudem sollten in allen Einrichtungen Schutzkonzepte Pflicht sein.

Kirche / Kriminalität / Deutschland
27.01.2020 · 10:50 Uhr
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