Was treibt uns zum Glücksspiel?

Man könnte sagen Glücksspiel ist so alt wie die menschliche Zivilisation selbst. Schon in antiken Kulturen wie Mesopotamien, China oder dem Römischen Reich wurden Würfelspiele und Wetten betrieben. Heute ist Glücksspiel ein milliardenschweres globales Geschäft. Damals wurden Knochenwürfel geworfen, heute klicken wir auf digitale Spielautomaten. Beides basiert auf dem gleichen Prinzip - dem Spiel mit dem Zufall. Und wie damals im Kolosseum auf Gladiatorenkämpfe gesetzt wurde, wetten heute die Sportfans auf Fußballspiele oder andere Sportereignisse. Die Wettleidenschaft ist also geblieben, nur die Bühne hat sich verändert.
Doch warum setzen Menschen freiwillig Geld aufs Spiel, obwohl die Chancen auf einen Gewinn oft verschwindend gering sind? Liegt das Glücksspiel etwa in der menschlichen Natur? Diesen Fragen gehen wir in diesem Artikel auf den Grund.
Wie hat das Glücksspiel angefangen?
Die ältesten bekannten Glücksspiele stammen aus dem alten Mesopotamien, etwa 3000 v. Chr. Archäologen fanden dort sogenannte Astragale – kleine, polierte Knochenstücke, meist aus dem Sprunggelenk von Schafen oder Rindern. Wie spielte man damit? Die Knochen hatten vier nutzbare Seiten, auf denen sie landen konnten. Spieler warfen einen oder mehrere Astragale und werteten das Ergebnis anhand der Positionen oder Markierungen aus. Punktwerte wurden bestimmten Seiten zugewiesen. In einfachsten Formen gewann der Wurf mit der höchsten Punktzahl, oder es wurden bestimmte Kombinationen angestrebt. Man setzte vor dem Wurf kleine Einsätze wie Lebensmittel, Schmuck oder Münzen, was dem heutigen Glücksspiel sehr nahekommt.
Auch im antiken Rom wurde gespielt, und zwar leidenschaftlich und oft mit hohem Einsatz. Besonders beliebt waren Wetten auf Gladiatorenkämpfe oder Wagenrennen. Die Römer sahen Glücksspiel nicht nur als Unterhaltung, sondern auch als Zeichen von Männlichkeit. Wer spielte, stellte sich dem Zufall und bewies, dass er mit Sieg und Niederlage umgehen konnte.
In China wiederum entstand etwa im 2. Jahrhundert v. Chr. eine ganz andere Form des Glücksspiels, nämlich staatlich organisierte Lotterien. Sie wurden unter anderem genutzt, um öffentliche Großprojekte wie den Bau von Teilen der Chinesischen Mauer zu finanzieren. Hier zeigt sich eine neue Dimension des Glücksspiels, denn es diente nicht nur privaten Zwecken, sondern wurde bewusst vom Staat als Instrument zur Finanzierung strategisch wichtiger Vorhaben eingesetzt. Der Glaube an das Glück des Einzelnen wurde so zur Einnahmequelle der Gemeinschaft.
Anhand der historischen Beispiele lassen sich zwei Muster erkennen. Zum einen diente das Glücksspiel der persönlichen Unterhaltung und dem Wunsch, materielle Gewinne oder Geld allein durch Glück und ohne Arbeit zu erlangen. Zum anderen wurde es vom Staat genutzt, um Einnahmen für kollektive Zwecke zu generieren. Diese Prinzipien haben sich bis heute erhalten.
Warum setzen wir alles aufs Spiel?
Wie kann es sein, dass Menschen heute auf Fußballspiele wetten, genau wie die alten Römer einst auf Gladiatorenkämpfe? Wie lässt sich erklären, dass sich unsere Vorlieben in diesem Bereich über Jahrtausende hinweg kaum verändert haben? Offensichtlich steckt dahinter mehr als bloßer Zeitvertreib. Was uns seit Jahrtausenden antreibt, sind diese grundlegenden menschliche Bedürfnisse:
Der Kick des Ungewissen
Glücksspiel lebt vom Nervenkitzel. Der Moment kurz vor dem Aufdecken der Karten oder dem Abpfiff des Spiels, ist der Moment der maximalen Spannung. Unser Gehirn reagiert darauf mit der Ausschüttung von Dopamin, einem Botenstoff, der auch bei Drogen oder Verliebtheit eine Rolle spielt
Selbst ein knapp verlorener Einsatz kann unser Belohnungssystem so aktivieren, dass wir weiterspielen wollen. Dieses Prinzip nutzen vor allem Spielautomaten und Online-Wetten gezielt aus. Der Reiz liegt nicht allein im Gewinnen, sondern im Erlebnis des Risikos. Dabei ist das moderne Glücksspiel so gestaltet, dass es unterschiedliche Spielertypen anspricht. Wer den Nervenkitzel sucht, greift zu hochvolatilen Slots, bei denen man zwar selten gewinnt, dafür aber potenziell hohe Auszahlungen erwarten kann. Wer lieber das Risiko minimieren möchte, kann auf niedrig volatile Automaten zurückgreifen, die das Gegenteil tun, also regelmäßig kleinere Gewinne ausschütten.
Flucht aus dem Alltag
Aus psychologischer Sicht bietet Glücksspiel vielen Menschen die Möglichkeit, dem Alltag kurzfristig zu entkommen. Das Spiel erzeugt nämlich einen Zustand intensiver Konzentration auf das Hier und Jetzt. So werden die alltäglichen Sorgen ausgeblendet. Auch wenn das nicht wie ein gesunder Bewältigungsmechanismus klingt, funktioniert er für viele Menschen genau so.
Sehnsucht nach Reichtum
Hinter fast jedem Glücksspiel steckt der Traum vom schnellen Reichtum. Nicht unbedingt aus Gier, sondern oft aus einem tiefen Wunsch nach Freiheit oder Selbstverwirklichung. Der Gedanke “Wenn ich einmal gewinne, ändere ich mein Leben“ ist eine starke Triebfeder, auch wenn die Realität meist anders aussieht.
Gerade in Ländern mit großen sozialen Ungleichheiten oder wirtschaftlicher Unsicherheit ist diese Hoffnung besonders ausgeprägt. Man könnte annehmen, dass Menschen in ärmeren Ländern kein Geld fürs Spielen übrig haben und doch finden sich dort häufig besonders viele kleine Spielcasinos oder Wettbüros. Wo Bildung, Arbeitsplätze oder soziale Unterstützung fehlen, wird Glücksspiel oft zum vermeintlich einzigen Ausweg aus der Armut.
Das erklärt, warum Glücksspiel auch in Entwicklungsländern oder strukturschwachen Regionen floriert. Es zeigt einmal mehr, dass Glücksspiel ein globales Geschäft ist, das von der menschlichen Sehnsucht nach Reichtum lebt, überall auf der Welt.
Einmal reich, immer reich?
Die Vorstellung, dass ein großer Gewinn alles verändert, ist weit verbreitet, doch in der Realität zeigt sich oft ein anderes Bild. Studien belegen, dass viele Lottogewinner ihr gesamtes Vermögen innerhalb weniger Jahre verlieren. Gründe dafür sind unter anderem fehlendes Finanzwissen, soziale Spannungen, übertriebener Konsum oder erneutes Spielen mit dem gewonnenen Geld. Statt langfristiger Sicherheit führt ein plötzlicher Geldsegen nicht selten zu neuen Problemen.
Was wir daraus ableiten können ist, dass Menschen nicht unbedingt spielen, weil sie rational an einen dauerhaften Reichtum glauben, sondern weil Glücksspiel tief verankerte psychologische Mechanismen anspricht. Genau diese Mechanismen erklären auch, warum Menschen heute ähnliche Spielmuster zeigen wie vor Tausenden von Jahren.
In diesem Sinne ist Glücksspiel also weniger ein Werkzeug zur Lebensveränderung, sondern vielmehr ein Ausdruck menschlicher Natur - ganz unabhängig von der tatsächlichen Gewinnwahrscheinlichkeit.

